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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof
Autoren: Ulrike Schweikert
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Wellen von Schmerz in ihr Bewusstsein zurückmeldete. Sie versuchte, sich wieder auf ihre Umgebung zu konzentrieren.
    Sehr weit entfernt schien die Decke nicht zu sein. Wenn sie aufstehen würde, könnte sie sie bestimmt mit den Fingerspitzen erreichen. Wenn sie in der Lage gewesen wäre, aufzustehen - ja sich überhaupt zu rühren! Immerhin gehorchten ihr die Augenlider schon ganz gut, und so versuchte sie nun die Lippen und die Zunge zu bewegen.
    Das faltige Gesicht einer älteren Frau drang in ihr Blickfeld. Sie hob eine Lampe hoch und sah auf sie herab. Das Mädchen kniff rasch die Augen zu, doch der erwartete Schmerz blieb aus. Zögernd öffnete sie die Lider wieder.
    »Du bist also erwacht«, stellte die Frau fest. Es klangen weder Freude noch Erleichterung aus ihrem Tonfall. Ihre Wangen waren gerötet, ein Rußfleck prangte auf ihrem Kinn. Sie trug eine schmuddelige Haube, unter der ein paar graue Haarsträhnen hervorlugten. Ihre Lippen hatte sie rot gefärbt, was sie aber nicht hübscher aussehen ließ. Als sie sich vorbeugte, konnte das Mädchen die faltige Haut ihrer schlaffen Brüste sehen.
    »Wer bist du? Kannst du mich hören? Dann sag mir deinen Namen und woher du kommst.«
    Die Augen zu öffnen, war eine Sache. Sich jedoch zu erinnern, wer sie war, oder das gar laut auszusprechen? Die Alte mit den schlaffen Brüsten verlangte Unmögliches von ihr! Die junge Frau wollte wieder zurück in die tröstliche Dunkelheit, in der sie nur ein Gedanke Gottes gewesen war!
    Die Frau beugte sich vor und kniff das junge Mädchen fest in die empfindliche Haut ihrer Seite.
    »Au!«, stieß sie empört aus und zuckte zusammen. »Was fällt dir ein?« Ihre Stimme war rau und fremd und brannte in der Kehle.
    Die Alte verzog die geschminkten Lippen zu einem Grinsen. »Stumm bist du also nicht, mein Täubchen. Aber du hörst dich an, als könntest du einen Schluck vertragen.«
    Eine Gestalt mit üppigem kastanienbraunem Haar huschte aus den Schatten und trat neben die Alte. »Meisterin, soll ich Wein holen?«
    »Mara! Was habe ich befohlen?« Die Alte hob die Hand, als wolle sie ihr eine Ohrfeige geben, aber die zierliche Frau wich zurück und duckte sich. Die Wirtin ließ die Hand sinken. »Nun gut, hol den gebrannten Heidelbeerwein. Ich denke, sie braucht etwas Kräftiges.«
    Else schob ihren Arm unter den Kopf der jungen Frau, hob ihn an und drückte den Hals der Tonflasche an die aufgeplatzten Lippen. Sie trank zwei Schlucke. Röte schoss in ihre Wangen. Sie riss die Augen auf. Ihr Körper bäumte sich auf. Die Decke rutschte von ihrem nackten Oberkörper. Sie hustete krampfhaft, Tränen rannen über ihre Wangen, ihre Brust wölbte sich und ließ die Luft dann in einem Stoß entweichen. Die Wirtin grinste und nickte.
    »So, jetzt können wir uns unterhalten. - Mara, mach, dass du in dein Bett kommst!«
    »Ach Meisterin, bitte«, flehte die junge Frau, »wir kommen um vor Neugier und wollen auch wissen, was geschehen ist.«
    Else wiegte den Kopf hin und her, aber ihre Miene war nicht unfreundlich. Sie sah zu der blonden Frau auf dem Bett, die sie aus großen Augen anstarrte, die Decke mit beiden Händen umklammert und schamhaft über ihre Brust gezogen. »Nun gut«, stimmte sie zu, dann hol unserem Gast ein Hemd und einen Becher Wein, und sieh nach, ob noch Mus im Kessel ist. Vielleicht kann sie schon etwas essen.«
    »Danke, Meisterin!« Mara wandte sich um und eilte davon. Üppig fiel ihr kastanienbraunes Haar in leichten Wellen über den Rücken herab. Bevor sie mit dem Hemd zurückkam, lösten sich weitere Schatten aus der Dunkelheit des Hauses, brachten Weinkrug und Becher und eine Schale mit kaltem Mus und ließen sich dann in einigem Abstand in den Binsen nieder. Die Wirtin ließ den Blick schweifen und seufzte.
    »Das hätte ich mir denken können. Ihr habt mal wieder gelauscht, statt mir zu gehorchen. Ich ziehe euch allen einen Schilling von eurem Lohn ab!«
    Die Frauen nahmen es gelassen. Die meisten mussten sowieso noch etliche Schulden bei Else abarbeiten. Es gab verschiedene Gründe, warum sie hier gestrandet waren, doch keine der hier versammelten Frauen gab sich der Illusion hin, es läge in ihrer Hand, das Frauenhaus in der Pleichacher Vorstadt von Würzburg gegen ein besseres Heim tauschen zu können. Und so schlecht war es hier gar nicht. Die Meisterin sorgte für eine warme Mahlzeit am Tag und ab und zu ein neues Gewand, sie hatten ein Dach über dem Kopf, wenn sie sich zum Schlafen niederlegten, und
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