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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof
Autoren: Ulrike Schweikert
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war sie noch zu retten. Sie war jung und schön. Sie konnte ihre Schulden abarbeiten. Wenn sie überlebte.
    Else nickte. »Ja, hol ihn her.«
    Kaum war Anna verschwunden, zog die Wirtin die Decke herab. Sie betrachtete den reglosen Körper genau, betastete die Füße und Hände, ließ das Haar durch ihre Finger gleiten und schob dann die Beine ein wenig auseinander, um die Scham zu untersuchen. Ein harsches Klopfen an der Tür ließ sie zusammenfahren. Hastig warf sie die Decke wieder über das Mädchen und eilte zur Tür.
    Der Mann, der mit einer Fackel in der Hand draußen vor der Tür stand, war groß, mit breiten Schultern und kurzem, grauem Haar. Sein scharf geschnittenes Gesicht war sorgfältig rasiert. Er hielt sich auffällig gerade und neigte nur leicht den Kopf, als die Eselswirtin ihm öffnete.
    »Welch angenehme Überraschung«, sagte sie ohne Freude in der Stimme und trat zurück, um ihn eintreten zu lassen. »Was verschafft uns die Ehre?«
    Er musste sich ein wenig ducken, damit sein Hut nicht an den Türbalken stieß. Er steckte den Kienspan erst in einen der Halter in der Wand, ehe er ihr antwortete.
    »Else, versuche nicht, mir Honig um den Mund zu schmieren, du müsstest inzwischen wissen, dass das bei mir nichts nutzt. Außerdem brauchst du nicht so zu tun, als würde dich mein Kommen erfreuen.«
    Sie seufzte. »Du weißt, dass ich nichts gegen dich habe, aber wer will schon den Henker im Haus? Nicht einmal für mich ist das gut.«
    Meister Thürner neigte zustimmend den Kopf. »Und doch ist es an mir, dafür zu sorgen, dass im Frauenhaus die Dinge so laufen, wie sie sollen.«
    Else verschränkte trotzig die Arme vor ihrem schlaffen Busen. »Es ist alles so, wie es sein soll.«
    »So?« Der Henker hob seine grauen Augenbrauen. »Was denkst du, wie lange ist es her, dass die Weinglocke geläutet wurde, um die Leute zu mahnen, dass es nun an der Zeit ist, nach Hause zu gehen?«
    »Ich weiß es nicht«, wich sie aus. »Ich habe sie nicht gehört. Aber du weißt genau, dass ich meine Gäste um diese Zeit noch nicht wegschicken kann. Wann sollen sie denn hierherkommen, um sich von ihrer Mühsal zu entspannen? Wenn die Sonne am Himmel steht, müssen sie ihrer Arbeit nachgehen - oder es ist Sonntag oder Feiertag, dann müssen sie in der Kirche beten. Für uns bleibt nur die Nacht. Ich bin für die Mädchen verantwortlich. Wie soll ich sie ernähren und kleiden, wenn sie nichts verdienen?«
    Der Henker hob den Zeigefinger. »Ah, du lieferst mir das rechte Stichwort. Sonntag! Wann fängt der Sonntag wohl an? Wenn die Sonne aufgeht?«
    »Nein«, brummte die Wirtin mürrisch. »Wenn es zur Mitternacht läutet. Ist es wirklich schon so spät?«
    Der Besucher nickte und deutete auf den Wandschirm, hinter dem ein verzücktes Kichern erklang. »Wen hast du noch da?«
    »Keine Pfaffen, keine Ehemänner, keine Juden«, fauchte Else, »nur zwei ehrliche, ledige Handwerkssöhne, die ein wenig Vergnügen suchen.«
    Der Henker nickte beifällig. »Gut, ist mir recht, wenn ich dir keine Strafe aufbrummen muss. Es ist das Gesetz des Bischofs und des Rats, nicht meins.«
    »Ha, der Bischof!«, stieß Else erbost aus. »Der soll sich bloß nicht so aufspielen. Mir Vorhaltungen machen, wie ich hier meine Mädchen führe, während er sich dort auf seiner Festung mit seinen Mätressen im Bett herumwälzt!«
    »Vorsicht, Else, du betrittst gefährlichen Boden«, mahnte der Henker.
    Die Frauenhauswirtin schnaubte durch die Nase. »Ach ja? Darf man in diesem Land nicht sagen, was wahr ist?«
    »Manchmal ist es klüger, es nicht zu tun«, riet der Henker.
    Else grinste. »Also streitest nicht einmal du ab, dass unser Bischof und Landesvater ein geiler Hurenbock ist.«
    »Ich würde es nie so ausdrücken«, widersprach der Henker, doch um seine Mundwinkel zuckte es.
    »Ich möchte mal wissen, wie viele seiner Bastarde auf dem Marienberg herumlaufen. Jedenfalls ist es kein Geheimnis, dass er seinen Mätressen das Geld in den Rachen stopft, das er uns anständigen Bürgern in immer neuen Steuern abpresst.«
    Der Henker nickte nachdenklich. Er protestierte nicht dagegen, dass sich Else zu den anständigen Bürgern zählte.
    »Ja, und nicht nur das. Er verkauft und verpfändet alles, was ihm Geld bringt. Die Domherren wissen nicht, wie sie ihm Einhalt gebieten können. Man hört sie Worte im Munde führen wie: ›den Bischof absetzen, bevor er das ganze Land verschleudert hat‹. Der Bischof andererseits lässt Büchsen gießen und
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