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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof
Autoren: Ulrike Schweikert
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nach allen Seiten ausbreiteten. Auch Robert hatte die Bewegung gesehen.
    »Meinst du, die lebt etwa noch?«
    Zögernd beugte sich Wilhelm herab und legte seine Hand an ihren Hals. Die Haut unter seinen Fingern war kalt, aber er konnte deutlich ein Pochen im Innern spüren. Und dann zuckten ihre Lippen, und ein zweiter Seufzer entwich in die Nacht.
    »Ja, sie lebt!«, verkündete Wilhelm.
    »Und was machen wir nun mit ihr?«, fragte Robert. »Ich kenne mich da nicht aus. Ich habe noch nicht allzu viele nackte Weiber im Stadtgraben gefunden.«
    Wilhelm kaute auf seiner Lippe. »Vermutlich wäre es richtig, den Schultheiß zu holen oder zumindest die Scharwächter.«
    Robert, der die Freuden der Nacht schwinden sah, seufzte tief. »Ade, du lustiges Frauenhaus«, lamentierte er, dann ruckte sein Kopf nach oben. »Glaubst du, dass sie eins der Mädchen der alten Eselswirtin ist? Das würde alles erklären. Sie ist mit einem Besucher hinausgegangen - und dann wurde sie ohnmächtig, und er bekam es mit der Angst zu tun, weil er dachte, sie wäre tot. Und dann hat er sie hier liegen lassen und sich davongemacht.« Er strahlte. »Na, wie habe ich das Rätsel gelöst?«
    Wilhelm wiegte den Kopf hin und her. »Das wäre eine Möglichkeit. Dann sollten wir sie zurückbringen. Die Buhlerin wird schon wissen, was mit ihr zu tun ist.«
    Wilhelm packte die beiden Handgelenke. »Los, fass mit an!«
    Froh, dass sie nun doch noch zum Frauenhaus gingen, fasste Robert die Beine der Bewusstlosen und half seinem Freund, sie die Böschung hinaufzutragen. Die Vorstadt lag in der Dunkelheit der Nacht, doch aus dem niederen Haus vor der Mauer, die den Judenfriedhof begrenzte, drang trübes Licht durch die Pergamentscheiben. Die beiden Männer schleppten die junge Frau auf das Frauenhaus zu. Zweimal stolperten sie, und einmal rutschte ihnen der Körper gar aus den Händen und fiel auf den mit Unkraut bedeckten Boden, aber die Frau erwachte nicht. Nicht einmal ein Stöhnen entrang sich ihren Lippen. Sie schien dem Tod näher als dem Leben.
    Der freundliche Gruß blieb der Eselswirtin im Hals stecken, als ihr Blick auf die leblose, nackte Gestalt fiel, die die beiden jungen Männer hereintrugen. Sie sahen sich suchend um und legten den Körper dann auf den Tisch, der rechts der Tür stand. Ein Tonbecher fiel herab und ging zu Bruch. Die vier leicht bekleideten Frauen, die mit zwei Kunden auf der anderen Seite an einem zweiten Tisch saßen, verstummten und starrten zu ihnen hinüber. Nun waren nur noch die Geräusche der beiden Paare zu hören, die hinter einem Wandschirm eindeutig der Sache nachgingen, zu deren Zweck die Eselswirtin ihre Frauen beschäftigte.
    »Was bringt ihr mir da?«, fragte die Wirtin leise und trat zögernd näher. Sie strich der Bewusstlosen die Haare aus dem Gesicht. »Was habt ihr mit dem Mädchen getan?«
    »Wir?«, entrüstete sich Robert. »Was unterstellst du uns, Buhlerin! Wie kannst du es wagen!«
    Die Wirtin des Frauenhauses wehrte ab. »Ich unterstelle gar nichts. Ich frage nur, und das wird ja wohl erlaubt sein, wenn ihr mir eine Leiche in mein Haus schleppt!«
    Die Geräusche hinter dem Wandschirm ebbten ab. Else wusste nicht, ob die Männer fertig waren oder ob ihre Worte sie aus dem Rhythmus gebracht hatten. Jedenfalls schien jeder aufzuhorchen, der sich in dem einen großen Raum des Frauenhauses befand, der sich von der Eingangstür bis zur rückwärtigen Wand erstreckte.
    »Und außerdem ist sie nicht tot«, stellte Wilhelm richtig. »Jedenfalls noch nicht.«
    Die Wirtin legt ihre Hand erst an den Hals, dann zwischen die Brüste der jungen Frau. Sie nickte.
    »Jeanne, hol eine Decke«, rief sie einem der Mädchen am anderen Tisch zu. Die mollige Französin beeilte sich, den Befehl auszuführen.
    »Ist sie eine von deinen Mädchen?«, wollte Robert wissen.
    Die Eselswirtin wich seinem Blick aus. »Könnte schon sein«, murmelte sie. »Warum?«
    »Na ja, wir müssen doch wissen, ob wir sie bei dir lassen können oder was sonst zu geschehen hat.«
    »Und außerdem würde uns interessieren, was mit ihr passiert ist. Ist sie mit einem Gast rausgegangen? Weißt du, mit wem sie zuletzt zusammen war?«, mischte sich Wilhelm ein.
    »Ihr wollt mir also sagen, dass nicht ihr es wart, die ihre Hände als Letzte auf diese Haut gelegt haben?«
    »Nur, um sie aus der Kürnach zu ziehen und hierher zu tragen«, bestätigte Wilhelm.
    Die Wirtin, die eigentlich Else Eberlin hieß, aber meist Buhlerin oder Eselswirtin genannt
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