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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof
Autoren: Ulrike Schweikert
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Schuhspitzen vom schlammigen Wasser umspült wurden. Er ging in die Hocke und schob mit dem Zeigefinger die blonden Locken zur Seite.
    »Ein hübsches, junges, totes Weib«, sagte er.
    »Das nützt jetzt auch nichts mehr«, erwiderte sein Freund und schwenkte die Fackel. »Also, komm jetzt!«
    Wilhelm ignorierte das Drängen. »Seltsam«, murmelte er, »warum liegt sie hier?«
    Rudolf seufzte und kam nun auch die Böschung herunter. »Vermutlich, weil sie hier gestorben ist«, sagte er. »Warum auch sonst? Und nun lass sie. Vielleicht war es das Fieber oder die Pest! Also rühr sie um Gottes willen nicht an.«
    »Und wo sind ihre Kleider?«, wollte Wilhelm wissen.
    Robert hob die Schultern und ließ sie dann wieder fallen. »Woher soll ich das wissen?« Er sah sich suchend um. »Hier sind sie jedenfalls nicht. Vielleicht hat sie sich vorher ausgezogen, oder jemand anderes hat es getan und die Kleider mitgenommen.«
    »Genau!«, rief sein Freund. »Jedenfalls wird sie sich kaum selbst ausgezogen und zum Sterben hierher gelegt haben!«
    Roberts Gesicht zeigte Unbehagen. »Aber dann ist das vielleicht eine Sache für den Schultheiß und den Rat. Ganz sicher geht es uns nichts an.« Er begann die Böschung wieder zu erklimmen. »Und nun komm! Mein schöner Rausch ist schon fast verflogen, weil du so rücksichtslos bist, mich mit toten Leichen zu belästigen. Dafür bist du mir einmal huren und einen Humpen Wein schuldig.« Er drehte sich um und grinste seinen Freund entwaffnend an. »Ich habe eh keine einzige Münze mehr, mit der ich bezahlen könnte - und du bist schließlich mein Freund und kannst nicht zulassen, dass ich darben muss, während du dich deinen Freuden hingibst.«
    »Du bist ein Schuft, Robert, ein ganz hinterhältiger Schuft!«, schimpfte Wilhelm, erhob sich und betrachtete seine nun schlammigen Schuhspitzen mit einem Seufzer. Sein Freund lachte gackernd.
    »Du wirst es mir nicht abschlagen. Das kannst du gar nicht!«, bettelte er sehnsuchtsvoll.
    »Vermutlich sollte ich das aber«, begann Wilhelm und brach dann mitten im Satz ab. Er stützte die Handflächen auf die Oberschenkel und beugte sich nach vorn.
    »Was ist?«
    »Komm näher, ich brauche Licht!«
    Robert schüttelte übertrieben heftig den Kopf. »Nein, nein, nein«, quengelte er. »Ich mag keine Leichen.«
    »Nein, da ist etwas, dort im Wasser. Es glitzert wie Gold!«
    Schon stand Robert an seiner Seite.
    »Wo? Ich kann nichts erkennen.« Er beugte sich herab und ließ den Schein der Fackel übers Wasser gleiten.
    Wilhelm ließ es zu, dass der Schlamm sich noch einmal schmatzend an seine Sohlen saugte. »Da drüben, ein wenig weiter nach links!«
    »Ja, nun sehe ich es!«, jauchzte Robert. Ohne auf Beinlinge und Schuhe Rücksicht zu nehmen, watete er zwei Schritte ins Wasser, bückte sich und angelte eine goldene Kette an die Oberfläche, an deren Ende ein flaches, ovales Medaillon hing. Ein tropfenförmiger Rubin, der von einem Ring kleiner Perlen umgeben war, glitzerte im Flammenschein. Robert pfiff durch die Zähne.
    »Dann ist heute ja doch mein Glückstag!« Feierlich reckte er sich und zog das Wams über seiner Brust glatt.
    »Mein Freund, ich spendiere dir heute so viele Huren, wie du schaffen kannst.«
    Wilhelm feixte. »Ich denke, die alte Frauenhauswirtin hat nur sechs Mädchen im Angebot.«
    Robert schnaubte. »Ach, und du meinst, du könntest die alle bedienen? Noch heute Nacht? In deinem Zustand?«
    Der Freund sah ihn empört an. »Was soll das heißen, in meinem Zustand? Ich bin wieder völlig nüchtern und im Besitz all meiner Kräfte.«
    Robert lachte hell auf und hakte sich bei ihm unter. »Dann will ich aber was sehen!«
    Sie hatten den bleichen Körper dort am Ufer bereits vergessen, noch ehe sie sich zwei Schritte von ihm entfernt hatten, als ein leises Seufzen und eine Bewegung,
    die er im Augenwinkel erhaschte, Wilhelm innehalten ließen.
    »Hast du eben den Seufzer getan?«
    Robert schüttelte den Kopf. »Nein, warum sollte ich? Obwohl, warum nicht? Aus Vorfreude auf die Brüste, die ich gleich zwischen den Fingern haben werde?«
    »Blödsinn!«, fauchte Wilhelm und drehte sich zögernd um. Er starrte auf den weißen Frauenkörper, der still und bewegungslos halb im Wasser lag. Er hatte sich getäuscht. Natürlich hatte er sich getäuscht! Leichen seufzten und bewegten sich nicht. Erleichterung durchflutete ihn, aber noch ehe er sich abwenden konnte, zuckte der Leib und warf einen Ring kleiner Wellen auf, die sich träge
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