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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof
Autoren: Ulrike Schweikert
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begraben sie nicht auf dem Judenfriedhof?«, wagte der Kleinere nachzuhaken und rückte ein Stück von den Nesseln weg.
    »Hast du nicht gesehen? Ich habe sie in die Kürnach gestoßen! Meinst du, ich taste nun im Schlamm nach einer Leiche, bis mich die Scharwächter herausziehen und mir ein schönes Quartier in einem der Türme anbieten? Nein! Der Körper wird dort im Schlamm verrotten. Und wenn nicht, dann finden sie ihn erst, wenn wir schon weit weg sind. Wir haben unseren Teil getan, und wir werden uns unseren Lohn dafür holen.«
    »Du hast also nicht vor, von unserem... äh... Missgeschick zu berichten?«
    Der Große schnaubte durch die Nase. »Hältst du mich für dämlich? Ich hänge am Leben und will es noch eine Weile genießen! Und das werde ich - und du auch, wenn wir uns nicht ganz dumm anstellen.«
    »Möge Sankt Kilian geben, dass du recht behältst!«, seufzte der Kleine und bekreuzigte sich.
    Der Große lachte rau. »Seit wann ist Sankt Kilian der Schutzherr der Taugenichtse und Mörder?«
    »Ich bin kein Mörder!«, widersprach der Kleine, »und du auch nicht.«
    »Nein«, stimmte ihm sein Begleiter zu, während sie auf die unbewachte Pforte zugingen, die sie aus der Stadt brachte. »Manches Mal kann man das den feinen Wamsträgern überlassen.«
    Der Kleinere wandte sich noch einmal um und sah in die Richtung, in der irgendwo der Bach an den alten Judengräbern vorbeifloss. Er bekreuzigte sich. »Die Kürnach hat sie verschlungen. Möge der Herr ihrer Seele gnädig sein«, flüsterte er.
    Er irrte sich in zwei Dingen. Erstens hatte die Kürnach den Körper nicht verschlungen. Er war an einem der zahlreichen Querdämme hängen geblieben, die das Wasser des Baches aufstauten, sodass der gesamte Graben um die Stadt bis zum Main hinunter stets mit Wasser gefüllt war. So ragte der weiße Frauenleib nun halb aus dem Wasser. Nur die Beine und einer der Arme waren von der schlammigen Flut bedeckt. Und zweitens war die Frau nicht tot. Noch war ihre Seele nicht von ihr gewichen. Auch wenn sie schon stundenlang durch die Tiefen der Finsternis taumelte.
    Und in noch einem Punkt hatten sich die beiden Männer mit ihrer verbotenen Last geirrt: Es war nicht die Scharwache gewesen, die sie aufgescheucht und bei ihrem Auftrag gestört hatte.
     

Kapitel 1
    Wilhelm, was ist denn nun schon wieder?«, rief der Mann mit schwerer Zunge, schob sich den Hut in den Nacken, der schon wieder in seine Stirn gerutscht war, und blieb schwankend auf unsicheren Beinen stehen.
    »Ich muss pissen«, rief der Kumpan zurück, der auf die Böschung der Kürnach zustakste. Er war offensichtlich genauso betrunken wie der andere, der nun den Kienspan etwas höher hielt.
    »Muss das hier sein? Das kannst du auch hinter der Eselsstube machen. Ich will endlich etwas trinken, und ich will ein Weib!«
    Wilhelm kicherte. »Erstens hast du schon genug getrun ken - ich übrigens auch«, er rülpste vernehmlich, »zweitens kriegst du eh keinen mehr hoch, und drittens muss ich jetzt pissen, sonst passt nichts mehr in mich rein!« Er nestelte an seinen Hosen.
    »Robert, komm her, und leuchte mir!«, befahl er.
    Der Gerufene schwankte heran. »Zu Befehl, mein Hauptmann«, lallte er und lachte.
    Wilhelm ließ sein Wams sinken und vergaß den Druck auf seiner Blase. Seine Stimme hörte sich fast nüchtern an. »Leuchte mal dort drüben. Was ist das?« Gehorsam ging Robert ein paar Schritte in die ihm gewiesene Richtung. Der Feuerschein der Fackel wanderte über den Boden und erhellte kniehohes Unkraut, kleine Büsche und so manchen Unrat. Als der Feuerschein ihn nicht mehr blendete, hieß Wilhelm seinen Freund stehen bleiben. Er betrachtete das niedergedrückte Gras, das sich bereits wieder aufzurichten begann. Sein Blick wanderte über das Unkraut die Böschung hinunter, wo etwas Großes, Helles aus dem Wasser ragte. Er ließ es nicht aus den Augen, während er langsam näher trat. Nach und nach erfasste er einen Bauch, zwei feste Brüste und einen Arm, der sich um den Kopf gelegt hatte, der von langem, honigblondem Haar verhüllt wurde.
    »Ein Weib«, stotterte Robert und starrte auf den Körper hinunter. »Ein junges Weib.«
    Wilhelm trat noch ein Stück näher. »Ja, und wie es scheint, ein junges, totes Weib.«
    Robert wich zurück. »Mir sind sie lebendig lieber. Komm, lass uns gehen. Im Eselshaus ist es warm und lustig, und wir bekommen was zu trinken.«
    Doch Wilhelm hörte nicht auf ihn, sondern stieg die Böschung hinunter, bis seine
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