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Zwanghafte Gier

Zwanghafte Gier

Titel: Zwanghafte Gier
Autoren: Hilary Norman
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    Frankie hat damit gerechnet, bis zum Morgenkaffee warten zu müssen. Übliche Zeit, üblicher Ort: in der Küche, am Tisch. Alles wie immer.
    Fast wie immer.
    Die Diazepamtabletten sind bereits zermahlen und mit dem Nescafé vermischt – ein wenig mehr als üblich, doch die Pillen besitzen kaum Eigengeschmack – und dazu ein Teelöffel Tate & Lyle als Granulat, alles zusammen in Roz’ Lieblingsbecher (der aus dem Caesar’s Palace in Las Vegas). Nun wartet das alles nur noch auf kochendes Wasser und entrahmte Milch.
    Es ist der zweite Mittwoch im April. Montags und Mittwochs trinken sie immer um halb zwölf zusammen Kaffee; früher am Tag kann Roz keine Gesellschaft ertragen. Sie sei ein richtiger Morgenmuffel, hatte sie Frankie erklärt, als diese vergangenen November bei ihr angefangen hatte.
    Das ist nun fünf Monate her.
    »Ich bin nun mal Nachtschwärmerin«, sagte Roz immer.
    Wie sie Frankie kurz nach deren Einstellung erzählt hatte, wisse sie ein wenig Aufregung durchaus zu schätzen. Sie ist völlig offen, was das betrifft, keine falsche Scham. Das mag Frankie an ihr.
    Inzwischen weiß Frankie, dass Roz eine Spielerin ist.
    Meist spielt sie Roulette im Lansdowne Casino am Regency Square in Brighton. Aber nicht jede Nacht – nur samstags, dienstags, gelegentlich donnerstags und jeden Freitag.
    Sie sei, so hatte sie Frankie anvertraut, eine ziemlich erfolgreiche Spielerin, die mittlerweile so etwas wie ein »System« entwickelt habe.
    »Natürlich gewinnt man nie wirklich«, hatte Roz gesagt. »Doch wenn man hartnäckig ist, wenn man weiß, wann man aufhören muss, kann man eine Menge Spaß haben und dabei noch ganz gut abkassieren.«
    Roz ist nicht reich – jedenfalls nicht, soweit Frankie weiß –, aber sie steht sich auch nicht schlecht.
    Sie hat ein sehr schönes Haus auf einem Hügel in Rottingdean.
    Das schönste Haus in der Straße.
    Außerdem ist Roz ungebunden. Sie hat sich vor niemandem zu verantworten. Und niemand sorgt sich um sie, soweit Frankie weiß. Natürlich hat Roz Bekannte, zumeist andere Spieler aus dem Club, doch niemand sorgt sich wirklich um sie.
    Das ist der Punkt.
    Der Grund für das hier .
    Und das Haus ist ein Grund mehr.
    Die beiden Becher – Frankies ist mit dem Bild einer schwarz-weißen Katze verziert – stehen auf einem Tablett neben dem Kessel auf einer der Granitarbeitsplatten in der grau-weißen Küche ... nur dass das Schicksal gerade in Gestalt von Roz eingegriffen hat, die zwanzig Minuten früher als üblich herunterkommt und Frankie im Wintergarten bei der Arbeit antrifft.
    »Guten Morgen, meine Liebe.«
    »Guten Morgen, Mrs Bailey.« Frankie schlägt das Herz vor Schreck bis zum Hals, doch sie versteht es zu verbergen. »Sie sind früh.«
    »Hm«, sagt Roz.
    Sie trägt ihren blauen Bademantel aus Velours und mit Reißverschluss, jene Art Kleidungsstück, wie reifere Damen es gern tragen, wenn sie jemanden bewirten, weil es so aufreizend ist – nur dass Roz weder jemanden bewirtet, noch sieht sie sonderlich aufreizend aus. Nett anzuschauen ist sie allerdings schon, obwohl sie mit ihren dreiundvierzig Jahren an der Hüfte ein wenig zugelegt hat und das dunkle, kinnlange Haar bisweilen nachfärben muss.
    Morgens allerdings sieht sie manchmal übel aus. Heute ist ein solcher Morgen, was – so nimmt Frankie an – entweder bedeutet, dass der gestrige Dienstagabend in Lansdowne mies oder ausgesprochen gut und dementsprechend lang war.
    Für Frankie macht das keinen Unterschied.
    Und für Roz auch nicht, wenn sie es wüsste.
    Frankies Gedanken sind auf die Kaffeebecher gerichtet, die gut sichtbar in der Küche stehen. Wenn man genauer hinschaut, könnte man allerdings auf den Gedanken kommen, dass der Inhalt des Caesar’s-Palace-Bechers ein wenig merkwürdig aussieht.
    »Alles in Ordnung?«, fragt Frankie beiläufig.
    »Wenn man so was mag.« Roz klingt reumütig.
    »Schlimme Nacht gehabt?«
    » Lange Nacht. Und als ich dann endlich ins Bett kam, konnte ich nicht einschlafen.«
    »Nun ja«, sagt Frankie, »wenigstens haben wir einen schönen Morgen.« Sie hält kurz inne. »Wollen Sie mit dem Kaffee noch ein bisschen warten?«
    »Nein, bringen Sie ihn mir am besten sofort«, sagt Roz. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
    »Natürlich nicht.« Frankie dreht sich vor Aufregung der Magen um.
    »Trinken wir ihn zur Abwechslung hier, ja?«, schlägt Roz vor.
    »In Ordnung«, erwidert Frankie leichthin.
    Es könnte gar nicht besser laufen.
    Wirklich nicht.
    Genau am
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