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Die Dirne und der Bischof

Die Dirne und der Bischof

Titel: Die Dirne und der Bischof
Autoren: Ulrike Schweikert
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eine warme Wolldecke, um sich zuzudecken, wenn der Wind durch die Ritzen des altersschwachen Hauses pfiff. Dafür mussten sie den Männern, die hier Zerstreuung suchten, zu Diensten sein. Meist forderten sie nichts Unerträgliches, und die Wirtin achtete darauf, dass kein Gast ihre Mädchen quälte. Ja, wenn sie Prügel bekamen, dann meist von der Wirtin selbst. Die Frauen - jede für sich - hatten schon schlimmere Zeiten erlebt als die hier unter Else Eberlins wachsamen Augen. Natürlich freuten sich die Frauen, wenn die Meisterin ihnen von den Münzen, die sie von den Kunden forderte, ihren Anteil gab und sie sich ein wenig billigen Tand bei den Krämern der Stadt oder Süßigkeiten an einem der Bäckerstände kaufen konnten, aber nun waren sie alle gern bereit, einen Schilling für eine spannende Geschichte zu geben und mit dabei zu sein, wenn die fremde blonde Frau zu erzählen beginnen würde.
    Die Wirtin wartete, bis Mara ihr in das verschlissene Hemd geholfen hatte, dann fragte sie noch einmal: »Wer bist du? Wie ist dein Name?«
    Die Blonde starrte erst sie und dann die anderen Frauen an, die im Kreis auf dem Boden kauerten und erwartungsvoll zu ihr aufsahen, doch sie blieb stumm und schüttelte nur den Kopf.
    Ein ärgerlicher Zug trat in die Miene der Wirtin. Ein paar der Frauen zogen die Köpfe zwischen die Schultern. Sie alle wussten, dass es nicht ratsam war, Else zu reizen. Sie konnte sehr wohl großzügig und aufgeräumter Stimmung sein, doch nur allzu schnell schlug ihre Laune um, und dann brach ein Gewittersturm über denjenigen herein, der so leichtsinnig gewesen war, ihren Zorn zu entfachen.
    »Sag uns deinen Namen!«, forderte sie noch einmal in strengem Ton, doch die Frau auf dem Bett starrte sie nur aus ihren weit aufgerissenen Augen an und schüttelte noch einmal den Kopf.
    Die Frauenhauswirtin hob die Rechte - alle zuckten zurück, nur nicht die junge Frau, die sie unverwandt aus ihren graugrünen Augen anstarrte. Die Hand traf sie hart ins Gesicht. So viel Kraft würde man einem Weib diesen Alters gar nicht zutrauen! Die Blonde schrie auf und wankte. Fast wäre sie hinten übergekippt und aus dem Bett gefallen, aber sie fing sich noch und richtete sich wieder auf. Tränen tropften auf die schmierige Decke.
    »Nun, willst du mir jetzt antworten? Sag uns deinen Namen!«
    Ein Name! Ja, natürlich, sie musste einen Namen haben, mit dem die anderen Menschen sie gerufen hatten. Die junge Frau tastete in ihrem Geist umher, doch je mehr sie sich anstrengte, desto undurchdringlicher wurde die Finsternis. Er ließ sich nicht fassen. Sie konnte Gestalten erahnen, die durch die Schatten huschten und Worte murmelten, doch wenn sie sie zu greifen suchte, entflohen sie und zogen sich in Räume zurück, die ihr Bewusstsein nicht betreten konnte.
    »Ich - ich weiß ihn nicht«, antwortete sie. Ihre Stimme war nun nicht mehr so heiser und rau. Man konnte den hellen Klang erahnen, den sie normalerweise hatte. Und man hörte ihr Erstaunen.
    Die Wirtin, die bereits die Hand zu einer zweiten Ohrfeige erhoben hatte, ließ sie wieder sinken. »Du weißt nicht, wie du heißt?«
    Die Blonde schüttelte den Kopf.
    »Und auch nicht, wo du herkommst?«
    Sie überlegte einige Augenblicke, dann schüttelte sie wieder den Kopf.
    »Hm.« Die Eselswirtin kaute auf ihrer Unterlippe. »Kannst du dich daran erinnern, was dir zugestoßen ist? Jemand muss dich gewürgt und niedergeschlagen haben.«
    »Nein, ich kann mich an gar nichts erinnern«, klagte die junge Frau und sah flehend in die Runde, als hätte eine der anderen Frauen ihr helfen können. Die Wirtin folgte ihrem Blick.
    »Nun, kann eine von euch uns weiterhelfen? Habt ihr sie schon einmal gesehen? Strengt euer Hirn an! Ihr habt euren Kopf nicht nur, damit die Läuse ein Zuhause finden!«
    Jeanne, die kleine, schwarzhaarige Französin, kicherte und ließ ihre Zahnlücke sehen. Die anderen schüttelten nur einmütig die Köpfe.
    »Was wird nun mit ihr geschehen?«, wollte Gret wissen. Sie war groß und hager, ihr Gesicht von Sommersprossen übersät und ihr Haar lodernd rot wie die Flammen des Kaminfeuers.
    »Sollen wir sie zum Spital bringen?«, fragte Mara.
    »Sie kann bei uns bleiben«, schlug Anna, die jüngste der Frauen, vor.
    Die hübsche blonde Marthe schnaubte mürrisch. »Ich teile mein Bett nicht mit ihr. Schlimm genug, dass ich manchmal Mara unter meine Decke lassen muss, aber sie ist wenigstens klein und zappelt nachts nicht so herum.«
    »Sie kann zu mir
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