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Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Titel: Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft
Autoren: Markus Falk;Beckedahl Lüke
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Zwänge eines parlamentarischen Systems wenigstens ein Stück weit außen vor lassen konnten. Das führte dazu, dass auf der einen Seite Inseln der Friedfertigkeit entstanden. Von vorneherein gab es ja den Konsens, dass die Politik nicht so weitermachen könne wie bislang und dass einige der althergebrachten Regelungen grundsätzlicher Überarbeitung bedürften. Und auf der anderen Seite war man heillos zerstritten: Wie genau dies zu geschehen habe, das war in erster Linie von bereits existierenden Parteilinien geprägt.
    Manche Internetaktivisten feierten bereits das Zustandekommen dieser Kommission als großen Erfolg. Sie waren Schlimmeres gewohnt. Politik ist ein überaus mühsames Geschäft. Das wird für den Normalbürger am meisten sichtbar, wenn Wahlkampfist. Dann versuchen die Parteien insbesondere die Unterschiede zur Konkurrenz zu betonen und sich als innovative Organisationen, die die richtige Wahl für die Zukunft sind, aufzustellen. Als der Bundestagswahlkampf 2009 vor der Tür stand, besuchte Falk Lüke eine Diskussionsrunde eines Tochterunternehmens der Deutschen Presseagentur. Eingeladen waren die Wahlkampfleiter der Grünen, der FDP, der SPD, ein CDU-naher Politikberater und der damalige Leiter des ZD F-Haupt stadtstudios Peter Frey. Die Runde sprach darüber, wie sie den anstehenden Wahlkampf im Internet durchführen wollten. Und Peter Frey sprach davon, dass das Fernsehen auf jeden Fall Leitmedium bleibe. Obama war das Wort, das in aller Munde war. Obama, Obama, Obama. Jeder wollte ein bisschen wie Obama sein, obwohl es weit und breit keinen Charakter wie Barack Obama gab. Über einen zentralen Aspekt des amerikanischen Wahlkampfs wurde jedoch kein Wort verloren. Barack Obama hatte einen sehr intensiven Onlinewahlkampf geführt. Doch in seinem Wahlprogramm gab es auch eine Komponente, die den deutschen Wahlkämpfern völlig fremd war: Internetpolitik. Er hatte es geschafft, auch bei den Meinungsführern im Internet eine Aufbruchsstimmung zu erzeugen. Politikwissenschaftler wissen, dass eine solche Aufbruchsidee eine Voraussetzung für Wechselstimmung ist, also für den grundsätzlichen Willen einer Bevölkerung, einen Wandel in der Regierung herbeizuführen.
    Obama hatte einige politische Punkte im Programm, die eng mit dem Internet verknüpft waren   – zum Beispiel eine verbesserte Offenlegung von Daten und Verfahrensweisen der U S-Regierung unter dem Namen OpenGovernment. Damit konnte er bei den Menschen punkten, die im Netz aktiv waren und bloggten, twitterten   – also eine Vernetzung herbeiführten, die auch ihm und seiner Kampagne zugute kam. Doch obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits eine große netzpolitische Debatte gärte, ging es den deutschen Parteien und deren Wahlkampfplanern ausschließlich um die Frage, wie man im Internet am besten Werbung betreiben könne. Sie verstanden das Internet als reinen Werbekanal, ohne Interesse daran, seine Nutzer zu involvieren und deren Themen zu berücksichtigen. Da hatten sie etwas gründlich missverstanden.

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    Freiheit und Sicherheit
    Die Legende vom rechtsfreien Raum
    Anfang 2009 hielt Ursula von der Leyen, damals Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, ein Blatt Papier mit aufgedrucktem Stoppschild in die Kameras. Im Bundespresseamt stellte sie ihr Gesetzesvorhaben vor, Kinderpornografie im Internet durch das Aufstellen von Stoppschildern an den Leitungen zu bekämpfen. Draußen vor der Tür bot sich ein anderes Bild. Da standen Internetaktivisten und hielten Schilder hoch mit Aufschriften wie »Zensursula« oder »Von Laien regiert«. Wie passt das zusammen?
    Für Politik und Medien gilt im Grund dasselbe wie für die Literatur. Geschichten wirken nicht, weil sie wahr, sondern weil sie gut erzählt sind. Manchmal hilft es auch, das eine oder andere Detail wegzulassen, um ans Ziel zu kommen. Ob man es nun besser weiß oder nicht. Wenn eine verkürzte oder unvollständige Geschichte »funktioniert«, also Aufmerksamkeit erhalten hat, wird sie so lange wiederholt, bis sie für wahr gilt   – oder bis niemand mehr zuhört, weil alle bemerkt haben, dass etwas nicht stimmen kann. Was die digitale Gesellschaft angeht, gibt es mehrere Beispiele, die deutlich zeigen, wie politische und mediale Logik im schlechtesten Fall funktionieren und sich immer wieder gegenseitig befruchten. Wer tötet, der tötet. So einfach ist in diesem Fall die Logik. Unter diesen Umständen macht es auch keinen großen Unterschied, ob wir in
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