Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Titel: Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft
Autoren: Markus Falk;Beckedahl Lüke
Vom Netzwerk:
als »Geißel der Talkshows« tituliert, Spezialist für »schaumige Spekulationen statt harter Wissenschaft«.
    Pfeiffer hatte einst mit der »Töpfchenthese« psychologisch-soziologisches Aufsehen erregt. Demnach war Rechtsradikalismus in den fünf ostdeutschen Bundesländern dadurch begünstigt worden, dass Kinder in den Kindertagesstätten der DDR zeitgleich auf das Töpfchen gesetzt wurden. Dieses Erklärungsmodell ist symptomatisch für seine Art der Expertise: die mutige Interpretation von Abhängigkeiten, von Kausalität und Korrelation. Mit Sicherheit waren viele der späteren Neonazis im Osten der Republik zu DD R-Zeiten gemeinsam aufs Töpfchen gesetzt worden. Aber dass der Töpfchenzwang Menschen zu Neonazis macht, das darf getrost bezweifelt werden.
    Vergleichbare Qualität haben auch Pfeiffers Studien zum Killerspielkomplex: Da gibt es zum Beispiel eine Studie, die feststellt, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Konsumgewalthaltiger Medien und schlechten Schulleistungen gibt. Wer weniger gewalthaltige Medien konsumiert, zeigt bessere Schulleistungen. Für Christian Pfeiffer war umgehend klar: Killerspiele machen blöde. Und das ist ja auch eine wunderbare Schlagzeile für Zeitungen. Und Schlagzeilen sind für ein privates Forschungsinstitut, das um Aufmerksamkeit kämpfen muss, um weitere Gelder zu erhalten, lebenswichtig. Das Problem ist nur: Ob Killerspiele dumm machen, dazu sagen die Daten eigentlich nichts. Sie halten nur fest, dass Menschen, die Probleme in der Schule haben, häufig derartige Medien konsumieren. Was zuerst da war, die Henne oder das Ei, darüber sagt das nichts aus.
    Abgesehen von realer physischer Gewaltausübung ist die digitale Welt oft genug ein Spiegel der realen. Es gibt kein menschliches Fehlverhalten, das nicht auch von Nutzern des Internets ausgeübt würde. Doch der Umgang der politischen Entscheidungsträger mit diesem Problem ist hilflos, und ihre mangelnde Ahnung wird oft von jenen ausgenutzt, die spezifische Interessen vertreten, von Institutionen, Verbänden, Wirtschaftsunternehmern. Das führt zu teils absurden Debatten, Lösungsvorschlägen und Gesetzen.
    Law and Stoppschild
    Hätten die Internetnutzer bestimmen dürfen, die Phrase vom »rechtsfreien Raum« wäre mit Sicherheit mehrfach Unwort des Jahres geworden. Immer wenn ein bislang für Politiker, altgediente Journalisten und die nichtdigitale Gesellschaft unbekanntes Objekt gesichtet wurde, dann griffen die gleichen Mechanismen: Die digitale Welt als Feindbild, als Hort des Bösen   – in der man durchgreifen und Law and Order einführen musste.
    Das mit Abstand absurdeste aller Vorhaben war die Einführung sogenannter Netzsperren. Damit wollte Ursula von der Leyen etwas im Kampf gegen Kinderpornografie tun: Die Anbieter von Internetzugängen sollten ein großes Stoppschild einblenden, wenn ein Nutzer auf eine Seite surfte, die vom Bundeskriminalamt auf eine Liste von Seiten mit Kinderpornografie gesetzt worden war. Selbstverständlich ist das Anliegen selbst, etwas gegen Kinderpornografie zu tun, vollkommen ehrenwertund in jeder Hinsicht zu unterstützen. Nur ist die eingesetzte Methode vollkommen sinnfrei. Schon technisch betrachtet war diese Zugangserschwerungsgesetz genannte »Lösung« grober Unfug. Die Interessenten hätten nur eine einzige Einstellung ändern müssen, um an dem Stoppschild vorbei zu surfen.
    Zum Thema Internetsperren hatte es bereits vorher eine Debatte gegeben, als der damals für die Medienaufsicht in Nordrhein-Westfalen verantwortliche Jürgen Büssow in den Jahren 2002 und 2008   Internetprovider mit sogenannten Sperrverfügungen dazu zwingen wollte, Seiten, die rechtsextremistische Inhalte oder in Deutschland illegale Glücksspielangebote enthielten, von ihren Seitenverzeichnisrechnern, dem sogenannten Domainnamensystem, zu löschen. Viele Internetnutzer fanden die Idee selbst hochgradig unsinnig und überaus gefährlich: Erfahrungen mit solchen Sperrlisten aus anderen Ländern zeigten, dass dort auch vollkommen harmlose oder schlicht unliebsame Seiten enthalten waren. Aber der Vorschlag Ursula von der Leyens war in der Welt. Und niemand wollte sich in der politischen Debatte auf die Seite von Leuten schlagen, die sich Kinderpornografie anguckten.
    In den klassischen Medien wurde das Sperrgesetz-Vorhaben wenig kritisiert, doch im Internet setzte eine breite Bewegung ein. Insbesondere die Menschen um den Paderborner Studenten Jörg-Olaf Schäfers, den Stuttgarter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher