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Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Titel: Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft
Autoren: Markus Falk;Beckedahl Lüke
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Sonntagszeitung‹ machte mit der Enthüllung auf   – hätte es sich im Nachhinein als Ente herausgestellt, hätte Schirrmacher wohl den Hut nehmen müssen.
    Doch es gibt auch andere Journalisten. Sie versuchen, gegen das Netz und die Digitalisierung anzuschreiben. Ihnen fehlt jegliche Offenheit für den Gedanken, dass man das Netz auch großartig finden kann und dass die digitale Gesellschaft eine Chance bietet, überkommene und zweifelhafte Gewohnheiten über Bord zu werfen. Es ist ihnen nicht zu verdenken, denn für sie ist das Netz eine doppelte Bedrohung: Zum einen kratzten die Abwanderung von Anzeigen und das neue Leseverhalten an der wirtschaftlichen Basis ihrer Profession im althergebrachten Sinne. Und zum anderen fürchten sie um ihre Meinungs- und Deutungshoheit, um ihren Status. Wenn jedermann ins Netz schreiben, seine Meinung äußern und jeden   – ob fundiert oder nicht   – kritisieren kann, dann schwindet das, was für einige den Job so attraktiv macht: Meinungsführerschaft. Konnten Journalisten früher durchaus für sich in Anspruch nehmen, dass sie die exklusive Rolle als Mittler zwischen dem politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Geschehen und den normalen Bürgern ausfüllen würden, tritt heute eine viel direktere Kommunikation neben diese Funktion.
    Früher konnten Journalisten zum Beispiel Filmrezensionen verfassen, ohne dass sie den Film gesehen hatten. Heute dauert es nur wenige Stunden, bis ihnen die Nutzer im Internet Fehlernachweisen. Es gibt immer jemanden, der sich besser mit etwas auskennt. Früher nahm derjenige sich manchmal die Schreibmaschine vor und verfasste einen Leserbrief, der, wenn überhaupt, oft nur in Auszügen abgedruckt wurde   – Tage später. Heute stehen solche Kommentare unmittelbar und oft für die Ewigkeit direkt bei einem Artikel.
    Das ist Gleichmacherei   – aus Sicht der Nutzer eine manchmal begrüßenswerte, aus Sicht mancher Journalisten eine Entwertung ihrer Arbeit und eine Erniedrigung. Manche Journalisten definieren sich nicht über das, was sie schreiben, in Mikrofone sprechen oder vor der Kamera äußern, über die Inhalte. Sie definieren sich über das mit dem Status »Journalist« verbundene Image. Für diese Journalisten brechen zweifelsohne harte Zeiten an. Aber alle Kritiker zwingen uns auch immer wieder dazu, über die digitale Gesellschaft und ihre Ausgestaltung nachzudenken. Sie sind hilfreiche Bremsklötze auf der rasanten Fahrt in eine neue Welt. Für diese Rolle verdienen sie Respekt und Zuneigung. Journalisten sind die Chronisten ihrer Zeit, aber sie sind auch ganz normale Menschen, die einem ganz normalen Beruf nachgehen und auch nur mit Wasser kochen.
    Politiker wissen es oft nicht besser
    Das gilt auch für Politiker. Tatsächlich erleben viele erst durch das Internet, dass medienvermittelte Kommunikation nicht Talkshowformat haben muss. Peter Altmaier, CDU, alter Hase im Politbusiness, Bundestagsabgeordneter seit Mitte der 1990er. Und trotzdem konnte er im Herbst 2011 etwas Neues lernen: Er meldete sich bei Twitter an, jenem Dienst, auf dem Menschen in 140   Zeichen miteinander Nachrichten und Meinungen austauschen. Zum Vorschein kam ein anderer Peter Altmaier als der, den die Bürger aus Talkshows bereits kannten: einer, der nicht nur darauf aus ist, seine Sicht der Dinge zu verbreiten. Sondern einer, der erreichbar ist, auf Nachrichten anderer Twitterer reagierte. Ein nachdenklicher Mensch, der schlagfertig und gewitzt seine konservativen Positionen vertritt. Altmaiers Twitterbeiträge sind so, wie der Mensch dahinter wohl ebenfalls ist, sagen andere, die ihn schon lange kennen. Das gibt es auch bei anderen Politikern.Der langjährige Vorsitzende der schleswig-holsteinischen SPD Ralf Stegner zum Beispiel nutzt Twitter schon seit mehreren Jahren. Was er dort schreibt, wie er sich gibt, auch das wirkt authentisch   – aber sicherlich keineswegs immer sympathisch für viele seiner Leser.
    Kann das Netz leisten, was Funk und Fernsehen, ›Bild‹ und ›Spiegel‹ nicht geschafft haben   – die Politiker so erscheinen zu lassen, wie sie sind? Fehlbar, aber auch menschlich, manchmal arrogant und manchmal charmant? Hier gilt, was stets für das Netz gilt: Es bietet eine Plattform für all jene, die mit dem Medium Chancen verbinden. Und über kurz oder lang wird es jene bestrafen, die sich der Kommunikation grundlos verweigern. Das Netz verschiebt die Grenzen der politischen Kommunikation, ohne sie einzureißen, in eine
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