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Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)

Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)

Titel: Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
Autoren: Uschi Zietsch
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Sie hielt ihm die Hand hin. »Dann komm, versäumen wir nicht noch mehr von dieser wundervollen Nacht.«
    Er nahm ihre Hand und stand auf. »Aber ... wohin?«, murmelte er verstört, und sie lachte gurrend.
    »Sag bloß, du warst noch nie mit einem Mädchen allein bei Nacht draußen?«
    »Oh ...« Er begriff, ein wenig spät, aber immerhin. Nein, es war nicht das erste Mal. Da war Rubin gewesen, des Köhlers Tochter. Und ... Malani, die Tochter des Fischers. Das war nicht ungewöhnlich; mit ihnen war er sozusagen aufgewachsen, denn ihre Eltern lebten wie Rowarns Muhmen auf einsamen Höfen abseits von Madin. Eines Tages, als sie entdeckten, dass sie keine Kinder mehr waren, hatten sie unschuldige und scheue Küsse getauscht, und vielleicht auch ein wenig mehr, als sie älter wurden und dazulernten.
    Rowarn hätte jedoch nie zu hoffen gewagt, dass ein Stadtmädchen, noch dazu Anini, sich jemals für ihn interessieren würde. Vorsichtig sah er sich um, aber niemand beachtete sie. Aninis Vater hatte den schweren Kopf auf die Tischplatte fallen lassen und schnarchte so fürchterlich, dass die Bäume zitternd ihre Blätter einrollten. Zu Beginn des Festes hatte der eine oder andere Stadtrat Rowarn mit verengten Augen angeblickt, als er sich vorsichtig bis an den Rand herangewagt hatte. Doch als er die ganze Zeit über nur still auf der Bank saß, hatten sie ihn schließlich vergessen.
    Die beiden jungen Menschen verließen das Fest und traten Hand in Hand in das nächtliche, vom Mond beschienene Land hinaus. Abseits aller Wege lief Anini über die Hügel, Rowarn immer im Schlepptau. Barfuß schwebte sie über das feuchte, junge Gras, beschwingt und leise kichernd. Schließlich, schon nahe beim Wald, blieb das Mädchen stehen und fasste Rowarn an beiden Händen. Einen langen Moment schaute Anini ihn schweigend, aus glänzenden Augen an. »Wenn du dich nur sehen könntest ...«, wisperte sie fast andächtig.
    Das hatten auch Rubin und Malani schon zu ihm gesagt, unabhängig voneinander und in Nächten wie dieser. Und von da an hatten sie ihn am liebsten bei Vollmond draußen getroffen.
    Rowarns Augen, klarblau wie ein alter, sehr reiner Gletscher in der Sonne, leuchteten in der Dunkelheit matt wie ein ferner Stern. Seine Haare waren blond wie eine Kornähre im Schnee und so hell, dass er sich des Nachts nicht ungesehen an jemanden heranschleichen könnte. Und seine Haut, so glatt und bleich wie Marmor, schimmerte im Mondlicht wie Perlmutt ...
    »Du übertreibst«, unterbrach Rowarn verlegen.
    »Kein bisschen«, widersprach Anini schnurrend. »Genau deswegen bin ich mit dir hier.« Sie ließ sich ins Gras fallen, Rowarn mit sich ziehend. Und dann küsste sie ihn ...

    Noch immer im Traum gefangen, drehte Rowarn sich erneut und tastete neben sich, wo er Wärme fühlte, die Nähe seiner Liebsten ...
    Nein. Dies war kein Traum mehr, angefüllt mit seligen Wonnen.
    Kälte war es, eisige Starre, die er fühlte, die seine Finger hinaufkroch, sich rasend schnell in seinem Körper ausbreitete, und Rowarn weckte.
    Mit einem erstickten Laut fuhr er hoch, während das letzte Traumbild in ihm zerstob. Noch schlaftrunken betrachtete er seine Hände, die voll Blut waren, und seine Kleidung, und dann wusste er.
    Nicht schreien. Nicht schreien! Rowarn biss sich auf die Knöchel, um zurückzudrängen, was aus ihm herauswollte, dieses abgrundtiefe Grauen, gesammelt in einem einzigen Wort, weil es sonst keines gab für das, was er sah.
    Nein ...
    Anini war tot. Ihre einst so sprühenden Augen starrten milchblau in den heller werdenden Himmel. Das Mieder war in Fetzen, ihre Brust aufgerissen, die Rippen aufgebrochen, das Herz geraubt. Und überall Blut ...
    Dies war, was Rowarn sah, was er begriff, aber nicht ... erklären konnte.
    Rowarns Augen brannten, der trommelnde Herzschlag sprengte ihm fast die Brust. Ein unterdrücktes Wimmern entrang sich seiner zugeschnürten Kehle. Dann sprang er auf und rannte schluchzend über die Wiese in den Wald hinein.

    Rowarn liebte den Wald, seit er laufen konnte. Das Spiel von Licht und Schatten, die Würde der alten Bäume, das huschende, zwitschernde und brummende Leben, heimlich und nur selten zu sehen. Die Luft war hier kühler und reich an Gerüchen, nach Moos und feuchtem Stein, Erde und Pilzen, Honig und Blüten. Wann immer er Kummer hatte, ging er in den Wald und wurde getröstet. Er kannte die Pfade vieler Waldtiere, und sie wussten es zu schätzen, dass er sich wie einer von ihnen verhielt –
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