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Die Buecherfluesterin

Die Buecherfluesterin

Titel: Die Buecherfluesterin
Autoren: Anjali Banerjee
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uns zu. Sie ist ein Traum in ihrem silberfarbenen Sari, wenn da nur nicht diese Tränen in ihrem Gesicht wären.
    Dilip erbleicht. » Was ist los? Wo ist Gita?«
    Ma presst die Hände an die Wangen. » Ach, du meine Güte, sie hat kalte Füße bekommen.«
    Ich lache auf. » Kalte Füße? Gita? Ist das ein Scherz? Sie wäre doch am liebsten mit ihm durchgebrannt.«
    Ma funkelt mich finster an. » Sie will nicht herauskommen, sondern nach Hause.«
    Dilips Lippen zittern. » Ich rede mit ihr.«
    Ma hält ihn mit einer Handbewegung zurück. » Sie will dich nicht sehen.«
    » Warum? Heute Morgen war mit ihr doch noch alles in Ordnung.«
    Die Gäste schauen zu uns hinüber. Sie ahnen, dass etwas im Argen liegt.
    » Jetzt eben nicht mehr.«
    » Was habe ich getan? Ich habe nichts falsch gemacht«, sagt Dilip. » Was ist nur in sie gefahren?«
    Meine Tante gleitet in einem goldfarbenen Sari und einem grell limettengrünen Pullover zu uns herüber. » Gibt es Probleme?«
    » Gita hat kalte Füße«, antworten wir im Chor.
    » Ach je, das passiert manchmal«, erwidert meine Tante und wiegt den Kopf. » Hat sie sich übergeben?«
    Ma ringt nach Luft. » Natürlich nicht!«
    » Ich musste mich vor meiner Hochzeit übergeben, so nervös war ich.«
    Ma ringt die Hände. » Beim Anziehen war noch alles gut. Der Sari, den du ihr aus Indien mitgebracht hast, steht ihr ausgezeichnet. Und der Schmuck. Sie hat gelächelt und war wunderschön. Auch das Hennamuster auf den Händen hat ihr sehr gut gefallen. Und in letzter Minute… keine Ahnung, was passiert ist. Vielleicht muss die Hochzeit jetzt abgesagt werden!«
    Dilip schwankt, als ob er jeden Moment in Ohnmacht fallen würde. » Abgesagt? Die Hochzeit? Wir haben alles seit Monaten geplant!«
    » Oh, Ganesh!«, ruft meine Tante aus. » Vielleicht will sie dich ja nicht mehr heiraten.«
    » Hol Dad«, sage ich und zeige auf die erste Reihe.
    » Sie will Dad nicht sehen!«, widerspricht Ma. » Sie will weg.«
    Meine Tante wendet sich an mich. » Jasmine, rede mit ihr.«
    » Ja«, stimmt Ma zu. » Du musst sie überzeugen, Dilip zu heiraten.«
    » Ich?« Ich bin doch wirklich nicht der richtige Mensch, um jemanden von der Ehe zu überzeugen.
    Dilip fasst mich überraschend fest am Arm. » Bitte. Ich liebe sie.« Sein Blick ist eindringlich und gequält. » Ich liebe sie so sehr.«
    » Jasmine«, sagt Ma.
    Meine Kehle wird trocken. Der Priester tritt aufs Podium.
    » Sie braucht jetzt ihre große Schwester«, meint Tante Ruma. » Tu dein Bestes.«
    » Bitte«, fügt Dilip hinzu.
    » Meinetwegen«, gebe ich mich geschlagen. » Ich rede mit ihr. Aber ich kann nichts versprechen.«

Kapitel 46

    G
ita hat sich im Ankleidezimmer auf dem Sofa zusammengerollt. Durch das Buntglasfenster strömt gebrochenes Sonnenlicht herein und malt ein Wasserfarbenmuster auf den Parkettboden. Im Zimmer riecht es nach Parfüm, Puder und Seide.
    » Du zerknitterst den schönen Sari«, sage ich.
    » Das ist mir egal.« Sie zieht die Nase hoch und schneuzt sich in ein zusammengeknülltes Papiertaschentuch. » Ich habe Ma erklärt, dass ich Dilip nicht heiraten kann. Was, wenn er Affären hat? Wenn er mich betrügt? Oder wenn ich schwanger werde und er mich dann verlässt. Er will Kinder, und ich habe mir vorgestellt, wie es ist, tagein, tagaus mit ihnen allein zu sein…«
    » Alles ist möglich, aber trotzdem darfst du so nicht denken. Du musst darauf vertrauen, dass du ein glückliches und erfülltes Leben führen wirst. Du musst dich auf deine Zukunft einlassen.«
    Sie putzt sich mit dem zerfledderten Taschentuch die Nase. » Was, wenn wir einander einmal nicht mehr lieben. Dann müssen wir trotzdem den Rest unseres Lebens jeden Tag und jede Nacht zusammenbleiben.«
    » Was ist aus meiner selbstbewussten kleinen Schwester geworden, die so fest an die Liebe geglaubt hat?«
    » Und wenn er nicht der Richtige ist?« Sie zerreißt das Taschentuch in kleine Fetzen. » Oder wenn er nach der Hochzeit eine andere kennenlernt?«
    Ich gebe ihr ein frisches Taschentuch. » Du kannst dein Leben nicht mit was wäre, wenn verbringen. Wenn du ihn liebst und er dich auch, wird diese Liebe euch zusammenhalten. Was wäre sonst der Sinn des Ganzen?«
    Sie setzt sich auf und sieht mich erstaunt an. Ihr Lidstrich ist verschmiert, ihre Nase rot. » Ich liebe ihn. Wenigstens denke ich das. Ich bin nicht sicher.«
    » Mal dir ein Leben ohne ihn aus. Du kommst nach Hause, und er ist nicht da. Wie fühlt sich das an?«
    Sie schließt
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