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Die Buecherfluesterin

Die Buecherfluesterin

Titel: Die Buecherfluesterin
Autoren: Anjali Banerjee
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Dickköpfigkeit bezichtigen, denn ich bin mehr als großzügig gewesen. Auch wenn ich diesen leichten, eifersüchtigen Stich wohl nie loswerde, kommt er inzwischen seltener, und der Schmerz lässt nach. Die Zeit heilt alle Wunden. Das und die Entfernung.
    » Also denke ich besser nicht mehr daran, meinst du nicht auch?«, frage ich Monet. Er schnurrt, streckt die Vorderpfoten aus und reckt das Hinterteil in die Luft. Mary beäugt mich und springt dann auf den Schreibtisch, wo sie thronen und die Welt begutachten kann. Ohne literarische Katzen fehlt etwas in einem Buchladen.
    Ich ziehe einen weichen Baumwollpulli, neue Jeans und ein neues Paar Turnschuhe an und bürste mir vor dem Badezimmerspiegel die Locken. Mein Haar ist dicht und glänzend.
    » Dieser Spiegel war einmal meiner«, sagt Emily Dickinson.
    » Also hatte meine Tante doch recht.« Ich lächle Emilys streng dreinblickendes Spiegelbild an. In letzter Zeit besuchen mich die Geister zwar, wenn ich sie brauche, drängen sich aber nicht auf. » Hoffentlich ist Ihr Leben im Jenseits nicht allzu einsam.«
    » Manchmal führe ich hitzige Debatten mit Edgar oder Charles«, erwidert sie. » Jane und Beatrix besuchen mich oft.«
    » Und Connor?«
    » Er ist fort. Connor braucht nicht mehr hier zu sein.«
    » Natürlich.« Wenn er hier wäre, würde ich ihn spüren.
    Ich gehe nach unten, um den Laden zu öffnen. Monet und Mary trotten hinter mir her. Tony trägt heute verschiedene Schattierungen von Blassblau und Grün. Die Farben stehen ihm gut. Als er Mary hochhebt und in die Arme nimmt, lässt sie alle vier Pfoten hängen.
    » Ich habe wundervolle Neuigkeiten. Es ist kaum zu fassen.«
    » Raus mit der Sprache!«
    » Ich habe mich wieder verliebt.« Vor Glück strahlt er übers ganze Gesicht.
    » Ich freue mich für dich. Wer ist es?«
    » Jemand, den ich in meiner Autorengruppe in Seattle getroffen habe. Du musst ihn unbedingt kennenlernen.«
    » Sehr gerne. Bring ihn in den Laden mit.«
    » Er hat mir mit meinem Manuskript geholfen, und jetzt habe ich eine Agentin. Sie will einen Verlag für meinen Liebesroman finden.« Er setzt Mary ab, und sie trippelt davon.
    » Das müssen wir feiern.« Ich fasse ihn an den Händen und tanze mit ihm im Kreis herum, während ich die Geister lachen hören kann.
    Sie helfen mir, als eine Mutter hereinkommt und einen Ratgeber für den Umgang mit ihrer ausgeflippten halbwüchsigen Tochter sucht. Auch als eine Großmutter mich nach einem Buch zum Thema Sauberkeitserziehung fragt und ein Münzsammler das nächste Fachbuch ein Jahr vor dem Erscheinungsdatum haben möchte.
    Für die Vorlesestunde entscheide ich mich für ein Buch von Dr. Seuss. Sein Geist schmunzelt, als ich die Reime nachspiele. Beim Anblick der begeisterten Kindergesichter ist mein Herz von Freude erfüllt. Doch innerlich bin ich zerrissen, weil ein Teil von mir immer Ausschau hält… wonach?
    Eines Mittwochabends kommt Ma zum Literaturzirkel. Sie ist vor einigen Wochen beigetreten, ein lebhafter Gegenpol zu Virginia Langemack und Lucia Peleran.
    » Sanchita hat angerufen, ist aber nicht zurückgekommen«, sagt Ma bedrückt. Nachdem sie den Mantel ausgezogen und in den Garderobenschrank gehängt hat, holt sie die derzeitige Lektüre des Literaturzirkels aus der Handtasche: Vom Winde verweht.
    » Es tut mir leid, das zu hören«, erwidere ich.
    » Mohan hat die Scheidung eingereicht. Er trifft sich bereits mit einer anderen Frau. Ist das zu fassen?«
    Eigentlich wundert mich das nicht. » Er bringt Vishnu noch immer zur Vorlesestunde. Nur das ist wichtig.«
    Ma steuert bereits auf die Teeküche zu. » Gehst du mit jemandem aus? Hast du einen Freund?«
    » Momentan nicht.«
    » Am Samstagabend wird ein sehr netter Mann bei den Maliks sein…«
    » Ma, lass das.« Mein Tonfall ist freundlich, aber nachdrücklich.
    Sie schüttelt zwar leicht den Kopf, bedrängt mich aber nicht weiter.
    Lucia Peleran kommt hereingerauscht. Sie wirkt verändert und strahlt. » Heute ist mein letzter Tag im Literaturzirkel«, verkündet sie. » Ich habe Neuigkeiten.«
    » Das scheint heute der geeignete Tag für Überraschungen zu sein«, stelle ich fest.
    Ma und Virginia starren sie an.
    Lucia malt ein Ladenschild in die Luft. » Lucias Leckere Verlockungen. Ihr müsst meine magischen Muffins und traumhaften Kuchen kosten. Ich eröffne mein eigenes Restaurant mit Bäckerei!«
    Alle applaudieren.
    » Wunderbar«, sage ich.
    » Ohne Julia Child hätte ich es nie geschafft. Ihr Buch ist
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