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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes
Autoren: Isabel Beto
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du wirklich tun? Auch dort, wo es längst keine Ava mehr gibt?»
    «Der Baum, der weint, soll weinen, wann
er
will. Ich verstehe doch sowieso nichts vom Kautschuksammeln. Genauso gut könnte ich eine Kaffeeplantage kaufen. Oder eine Zuckerrohrplantage. Ein Latifundium, wie man hier sagt. Es gibt Möglichkeiten. Vater hätte sich wegen dieser Nachricht nicht umbringen müssen, aber Kauchu war sein Leben. Kauchu stinkt – ich hab’s nie verstanden.»
    «Ich auch nicht», murmelte Amely.
    «Vai te foder!» Der Chauffeur des fremden Fahrzeugs kam mit drohend erhobener Faust herangelaufen. Ruben sprang heraus und zog Amely weiter. Sie glaubte sich tiefrot.
    «Das war aber nicht sehr freundlich», lachte Amely, als sie ein Stück fort waren. Im Schatten der Kirche São Sebastião blieben sie stehen und sahen sich an. Er schob ihren Hut ein Stück in den Nacken und küsste sie. Seine Zunge umkreiste ihren Goldtropfen und schob sich ungeduldig weiter.
    «Ah, nicht, Ruben. Nicht hier», sie schob ihn mit den Ellbogen von sich.
    «Wir könnten in der Kirche verschwinden.»
    «Ruben!»
    Er grinste. «Amely, ich bin reich genug, um mein Volk zu finden. Wie ich es anstellen soll, ist mir noch nicht klar. Aber ich hoffe, nein, ich weiß, dass es noch lebt.»
    «Und ich bin reich genug, um Nuna zu finden. Die Tochter des Mannes, der für mich Kautschuk schmuggeln wollte. Ich habe an ihr einiges wiedergutzumachen. Und etwas anderes muss ich noch finden, sonst habe ich keine Ruhe. So oft habe ich’s gesucht, aber vergebens.»
    Er musterte sie neugierig. «Was ist es?»
    «Der Boto.»
     
    Im Hafen war es wie immer. Laut und stinkend und aufregend. Ruben ruderte in seinem Einbaum auf den Fluss hinaus. Rosa Flamingos schwangen am Ufer ihre Schnäbel durch den Schlick, auf der Suche nach Nahrung. Der Panzer einer schwimmenden Schildkröte schob sich glänzend aus dem Wasser. Eine Schlange glitt dicht am Boot vorbei. Es wurde leise, es wurde Nacht. Amely sank rücklings auf die Ellbogen und betrachtete die Große Himmelsanakonda. Sie fühlte sich wieder wie eine Indiofrau, so ganz ohne Tageskleidung. Und Ruben war wieder der Sonnenfalke, ein Mann seines Stammes, mit dem Bogen auf der Schulter und dem Köcher an der Seite. Inmitten des Flusses nahm er beides herunter und legte es sorgsam neben sich. So konzentriert war sein schweifender Blick, dass Amely es nicht lassen konnte, ihn mit dem Zeh anzustoßen.
    «Und, wird er kommen und uns nach Encante bringen?»
Nach Encante gehen
 – das war ja nichts anderes als das wilde Treiben mit der Lust. Und sie hatte in diesem Augenblick schrecklich viel Lust.
    «Ich finde ihn schon, Yacurona.» So unerwartet sprang er ins Wasser, dass sie hochschreckte.
    «Ruben? Ruben!»
    Nichts. Er war fort. Seufzend stützte sie den Kopf in die Hand. Ach, was musste sie sich in einen Indio verlieben? In einen Jäger? Einen Krieger? Hätte sie es nicht wie jede Frau einfacher haben können? Einen Mann wie Julius, einen Schreibtischtäter, einen, den man ohnehin nicht liebte, weil es das im wahren Leben gar nicht gab? Dann müsste sie nicht in die Nacht hineinhorchen und mit jedem Plätschern und Rauschen hoffen und beten, dass er es sei.
    Ach nein
, dachte sie.
Wenn man um jemandes willen keine Ängste ausstehen muss, ist es auch nicht schön. Einen solchen Menschen muss es geben.
    Er schnellte prustend hoch, packte sie und zog sie ins Wasser.

[zur Inhaltsübersicht]
Nachwort
    In Werner Herzogs Film «Fitzcarraldo» träumt der Abenteurer Fitzgerald davon, ein Opernhaus mitten im Dschungel zu bauen und Enrico Caruso für ein Engagement zu gewinnen. Sein Vorbild war das Teatro Amazonas, ein Prunkbau in einer der reichsten Städte der Welt: Manaus, das «Paris der Tropen» mitten im Amazonasdschungel. Der Auftritt Carusos ist jedoch nur eine Legende. Der Sänger kam nie.
    Das nötige Geld für solche Exzentrik steckte im unscheinbaren Hevea Brasiliensis, dem Kautschukbaum. Im 19. Jahrhundert entwickelte Charles Goodyear die Vulkanisation des Kautschuks – den Gummi. Der erforderliche Kautschuk wurde fast ausschließlich im brasilianischen Regenwald gewonnen, und der sprunghaft ansteigende Bedarf verschaffte Manaus gewaltigen Aufschwung und Wachstum. Auf den Rücken der versklavten Ureinwohner häuften die Kautschukbarone, unter ihnen Einwanderer auch aus dem Deutschen Reich, unvorstellbaren Reichtum auf. Und das mit ebenso unvorstellbaren Gräueln. Ihre Verschwendungssucht kannte keine Grenzen: Ihre
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