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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes
Autoren: Isabel Beto
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sich breitbeinig auf ihn. Da Silva würgte einen quälenden Laut hervor. Das Messer hatte er längst verloren; Ruben hob es auf und deutete mit der Spitze zwischen seine Augen.
    Amely warf sich neben Felipes Kopf hin. Seine Augen flackerten; seine Lippen ebenso. Unter Rubens Schenkelgriff schlotterte er, als schlüge ein Dutzend Peitschen auf ihn ein.
    «Felipe …», sie packte seinen Kopf und drehte ihn ihr zu.
    «Amely … er – er ist wirklich wild. Ich – ich wusste das nicht. Wittstock … hätte mehr über ihn … erzählen sollen.»
    «Felipe! Was meinten Sie damit, dass Kilian vielleicht noch lebt?»
    Sein Mund bewegte sich, aber sie verstand kein Wort. Eine Schmerzwelle ließ ihn die Augen fest zusammenpressen. Speichel rann ihm zwischen den zusammengepressten Zähnen hervor. «Amely», krächzte er, Blut hustend. Der Regen spülte es seine Wangen hinunter.
    Kilian, was ist mit Kilian?
, wollte sie wissen. Stattdessen kam eine ganz andere Frage unverhofft über ihre Lippen: «Habe ich wirklich mit dir geschlafen?»
    Sie rechnete nicht mit einer Antwort, selbst wenn er deren noch fähig war. Den Halunken würde es freuen, sie auf ewig im Ungewissen zu lassen. Ihre Fäuste rissen an seinem Hemd, das er immer trug, die Zigaretten in der Hemdtasche; sie spürte sie auch jetzt. Selbst im Sterben war er verwegen anzusehen.
    «N-nein. Amely. Nein, du hast es nicht … zugelassen …»
    Er hauchte mit dem letzten Wort seinen letzten Atemzug aus und lag still.
    Ruben setzte die Messerklinge an der Schläfe an.
    «Nein», Amely umschloss sein Handgelenk. «Bitte tu das nicht.»
    Zögernd nickte er und zog die Hand zurück. Amely sprang auf und lief an den Wassersaum. Sie zwang ihre Gedanken fort, zurück zu jenem Tag hier in der Bucht. Dort lag ihre Geige. Sie hob sie auf, fand auch ihren Bogen und drückte beides an die Brust. Alles war wie damals …
Der Stachelrochen jedoch hielt sich gerne im sandigen Grund auf. Besonders hier, wo der Sand so feinkörnig war. Bewegte sich dort drüben nicht der Grund verdächtig? Langsam ging Amely in die Knie, hob das Nachthemd und wusch sich das Blut von den Unterschenkeln. Die Piranhas witterten es und kehrten zurück, doch Amelys Hand, die das Wasser in Aufruhr brachte, verscheuchte sie. Vielleicht begriffen sie auch, dass Amely unverletzt war. Es war nicht ihr Blut.
    Sie sah nicht genauer hin, als Ruben die Leiche da Silvas ans Wasser zerrte und mit den Füßen hineinstieß. Dann schritt er ein Stück weiter, um den Piranhas aus dem Weg zu gehen, und wusch sich leidlich sauber. Amely kämpfte sich auf die Füße und ging zu ihm. Prüfend musterte sie ihn von oben bis unten. Von einigen kleineren Blessuren abgesehen war er unverletzt. Der Dorn steckte noch in ihm. Als er bemerkte, woran ihr Blick hängen blieb, zog er ihn heraus.
    «Ich war noch nicht dazu gekommen, ihn in Gift zu tränken», meinte er lächelnd. Mit einer Sanftheit strich er ihr die nassen Strähnen aus dem Gesicht, dass sie sich fragte, ob er allen Ernstes den Kampf schon vergessen hatte. «Und jetzt, Yacurona? Was sollen wir tun?»
    Der Himmel krachte erneut. Ruben krauste im Hochblicken die Stirn. Gleich würde es noch schlimmer schütten. Ermattet sackte sie in seine Umarmung. Lange hielt sie still, ließ sich schweigend trösten von diesem Mann, der so schreckliche Dinge getan hatte.
    «Wir müssen zurück, Ruben. Wenn Kilian wirklich tot ist, ist jetzt alles anders.»
    «Und wenn er lebt …» Was dann wäre, ließ er offen. Alles hielt sie dann für möglich. Aber was auch geschähe, es war Zeit, dass der Sohn dem Vater vors Angesicht trat.
     
    Sie zwängte sich in ihr Korsett und ihr Kleid, denn wie sähe es aus, käme sie im Unterkleid zurück? Die Stiefeletten ließ sie im Sand liegen. Die Geige legte sie in ihren Einbaum, der zurückbleiben würde. Das zarte Instrument hatte das Gewitter ohnehin nicht überstanden.
Dies ist kein Land für Violinen
 … Ruben musterte ihre damenhafte Aufmachung mit Staunen. Sie raffte die feuchten Röcke und stieg in seinen Einbaum. Eingezwängt von all dem Stoff, war es nicht möglich, so schnell wie er zu paddeln. Er saß im Bug; er kannte den Weg. Amely mühte sich, nicht nach Spuren von Felipe Ausschau zu halten, während das Boot durch Wasserhyazinthen glitt, vorbei an den gewaltigen Seerosen, hinaus aus der Bucht.
    Möge Gott seiner Seele gnädig sein
.
    Ruben hatte sich Bogen und Köcher auf den Rücken geschnallt. Es würde einen ordentlichen
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