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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes
Autoren: Isabel Beto
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es. Ein Schuss knallte. Ruben ließ den Pfeil fliegen.
    Er war nicht verletzt; Amely begriff, dass da Silva ihn lediglich hatte verlocken wollen, seinen Pfeil zu verschießen. Mit erhobenem Gewehr trat Felipe hinter einem Kapokbaum hervor und stieg sicheren Schrittes über die Stützwurzeln. «Ich nehme doch an, dass der Wilde klug genug ist, jetzt
nicht
nach einem neuen Pfeil zu greifen. Und Sie, Senhora, nehmen den Köcher und werfen ihn außer Reichweite.»
    Wutschnaubend bückte sie sich und schleuderte den Köcher so vor seine Füße, dass sämtliche Pfeile herausglitten. Während des flüchtigen Augenblickes, da er hinuntersah, ließ sie das Blasrohr fallen.
    Er kam näher. «Der Mistkäfer hätte Sie niemals verraten, Senhora. Aber ich habe beobachtet, dass er für Sie das Boot besorgte. Ich ließ das Schiff nicht aus den Augen, weil ich so etwas ahnte. Mir dämmerte irgendwann, dass Sie von Ruben wussten, weil Sie auf ihn getroffen waren – es gab ja kaum eine andere Erklärung. Und dass Sie ihn wieder treffen wollten.» Die Mündung der Winchester zeigte flüchtig auf ihren Bauch. «Ich nehme an, das Kind ist von ihm.»
    «Und das werden Sie Wittstock brühwarm erzählen wollen, nicht wahr?», sagte sie verächtlich.
    Früher war sie in ihn verliebt gewesen, konnte das sein? Jetzt – hasste sie ihn.
Hasse ich ihn?
Eher verdiente er ihr Mitleid, da er sich gezwungen sah, mit seiner Seele ein besseres Leben zu erkaufen. Wahrscheinlich glaubte er tatsächlich, mehr als ein Lakai Kilians zu sein.
    Sein Mundwinkel zuckte in der Andeutung eines Lächelns. «Das käme darauf an, ob er noch lebt, wenn ich zurückkehre. Vermutlich aber nicht.»
    Er hatte ihn umgebracht.
Lieber Gott
. Unwillkürlich griff sie nach ihrem Hals. Irgendetwas war in der
Casa no sol
vorgefallen, das den Kettenhund zum Zubeißen veranlasst hatte.
    Oder jetzt waren einfach
alle
verrückt geworden.
    «Und jetzt, Senhora, treten Sie zur Seite, wenn Ihnen daran liegt, dass ich Sie seinetwegen nicht über den Haufen schieße.»
    «Niemals!»
    Ruben stieß sie mit dem Ellbogen beiseite, dass sie vor Schreck auf die Knie sackte. Jäh riss da Silva seine Waffe noch ein Stück höher, und Ruben spannte den Bogen bis aufs äußerste. Er schritt auf da Silva zu; er war wieder der tollkühne Aymáho, der den Tod ersehnte.
    «Ganz ruhig, Wildling.» Da Silva tat einen halben Schritt zurück. «Weißt du nicht, dass sie auch mich zwischen ihre Schenkel gelassen hat? Hat sie’s dir erzählt? Hat sie gesagt, wer ich bin?»
    «Das hat sie», erwiderte Ruben ruhig.
    Sie war sich sicher, niemals Felipe erwähnt zu haben. Nicht einmal in einem Epena-Rausch wäre ihr das in den Sinn gekommen.
    Die Männer fixierten sich. Über ihnen krachte der Himmel. Amely starrte zu ihnen hoch, während sie sich mühte, unauffällig nach dem Blasrohr zu tasten. Es musste doch hier sein! Im Sand war nichts. Da war ihr Seidenkleid; sie zerrte es beiseite. Ihre Finger griffen ins Wasser. Hatte sie die Waffe versehentlich in den Fluss geworfen? In ihren Augenwinkeln zuckte es silbrig: Piranhas – und ihre Zehen steckten im Wasser. Langsam zog sie die Füße heraus. Hinter Ruben kroch sie durch den Sand, wie um Schutz zu suchen. Dicke Tropfen klatschten auf ihre suchenden Hände. Das Blasrohr, wo war das Blasrohr …
    «Ich sagte, dass Sie verschwinden sollen, Senhora!»
    «Tu, was er sagt, Amely.»
    Sie kroch auf die aufragende Wand des modrigen Unterholzes zu. Sobald sie aus der Schusslinie wäre, würde der Kampf beginnen, das war ihr klar. Zwischen zwei Donnerschlägen klickte das Gewehr.
    Der Schuss blieb aus. Stattdessen vernahm sie das Zischen des gelösten Pfeils.
    Alles geschah in einer Sekunde. Als sie auf den Knien herumfuhr, sah sie da Silva auf Ruben zu stürzen, wutschnaubend die unzuverlässige Waffe schwingend. Rubens Pfeil stak in seinem Arm –
nur
in seinem Arm! Ruben duckte sich unter dem Gewehrlauf, der einen Bogen über seinem Kopf beschrieb, griff hinter sich nach seinem Messer und schnellte, es vorstreckend, hoch. Felipe brüllte. Eine Blutspur zog sich quer über sein Gesicht. Doch auch diese Verletzung hielt ihn nicht davon ab, sich auf Ruben zu stürzen.
    Wenn nur die alte Wunde Ruben nicht behinderte! Aber so sah es nicht aus. Mit aller Kraft hieb er auf seinen Gegner ein. Schnell blutete da Silva aus mehreren Schnitten. Er schaffte es, Ruben das Messer aus der Hand zu schlagen; doch dieser scheute sich in seiner Raserei nicht, ihn mit den
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