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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes
Autoren: Isabel Beto
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Dank.»
    In der Tat, die schwarzen Lederkoffer standen vor einem Steg, der auf einen kleinen pittoresken Dampfer führte. Angesichts des Namens, der in weißer Schrift auf dem Bug stand, war Amely danach, sich die Augen zu reiben. «Was hat das zu bedeuten?»
    «Ihr Gatte hat dieses Schiff gekauft und
Amalie
getauft», erwiderte er. Sie sah nicht, dass Herr Oliveira lächelte, aber sie konnte es hören. «Es ist Ihr Willkommensgeschenk.»
     
    Herr Oliveira winkte einen Jungen heran und deutete zum Ufer. Der schlaksige Schwarze, er hieß Ronaldo, rannte ins Ruderhaus, um den Befehl an den Kapitän weiterzugeben. Sofort bewegte sich die
Amalie
auf die grüne Wand aus Bäumen, Farnen und verschlungenen Lianengewächsen zu. Ronaldo hangelte sich über eine Strickleiter, und kurz darauf sah Amely ihn auf dem Beiboot, einem zerbrechlich wirkenden Kanu, auf die aus dem Wasser ragenden Bäume zupaddeln. Flink kletterte er einen Stamm hinauf; das Blattwerk verschluckte ihn fast zur Gänze. Mit einem Fellbündel im Arm kam er wieder hervor und kehrte zum Schiff zurück. Behutsam hängte er das Tier an Oliveiras ausgestreckten Arm, wie einen Mantel auf den Kleiderbügel.
    Herr Oliveira näherte sich mit seiner Last Amely. «Sie können es streicheln.»
    «Was ist das?»
    «Ein Faultier. Ist es nicht schön?»
    Nun, diese Ansicht fand sie durchaus überdenkenswert. Es war sicherlich eines der hässlichsten Tiere, die sie je gesehen hatte. Aber was hatte sie schon gesehen? Zögernd streckte sie die Hand aus. Das zottelige Fell fühlte sich weicher als vermutet an, und es roch nur leicht. Entzückt sah sie einen kleinen Schmetterling herausflattern. Das Köpfchen des Faultiers, rundlich und runzelig wie das eines Gnoms aus Grimms Märchen, wandte sich ihr behäbig zu. Trotz all der Hässlichkeit musste sie an einen Säugling denken, den die Mutter sanft aus dem Schlaf geholt hatte.
    «Tut es einem nichts? Die Krallen sehen wehrhaft aus.»
    «Es ist harmlos. Wir können es mitnehmen, wenn Sie möchten.»
    «Oh. Danke. Nein, lieber nicht.»
    Er übergab es Ronaldo, der es einfach ins Wasser ließ. Sie wollte erschrocken protestieren, doch zu ihrem Erstaunen erwies sich das Faultier als flinker Schwimmer. Die
Amalie
kehrte in die kräftigere Strömung zurück, und nur zwei Risse in Herrn Oliveiras Ärmel erinnerten an die seltsame Begegnung. Dass sein teurer Anzug ruiniert war, schien ihn nicht zu interessieren.
    Er reichte ihr ein ledernes Etui. Amely entnahm ein vergoldetes Opernglas. «Damit Sie die Schönheit des Waldes auch aus der Ferne sehen können», erklärte er. «Denn längst nicht alle Tiere des Dschungels sind so freundlich wie das Faultier.»
    In den wenigen Stunden, seit sie in Macapá abgelegt hatten, hatte Amely viele Geschichten über die Tierwelt des Amazonas gehört. Er hatte von Zitteraalen erzählt, deren Stromstöße Pferde fällten. Von zehn Meter langen Anakondas, die auf dem Boden einen rennenden Menschen einzuholen vermochten. Von Käfern, die größer als eine Hand waren, und von Würmern, die, wagte man den Sprung ins kühle Nass, einem in die Harnröhre krochen, sodass man sie nur noch herausoperieren konnte. Aber nicht alles war schaurig; und so hielt sie mit dem Opernglas Ausschau nach Boto, dem rosafarbenen Delfin.
    «Piranhas zum Beispiel», gab Bärbel zum Besten. Auch sie stand an der Reling und sah zu, wie die Landschaft, die einem fantastischen Roman Jules Vernes entsprungen zu sein schien, vorüberzog. Ausgiebig nutzte sie einen Bastwedel, um die Fliegen im Zaum zu halten. «Man steckt nur einen Zeh ins Wasser, und schon ist er ab.»
    «Nicht alles, was Alexander von Humboldt geschrieben hat, ist wahr», erwiderte Herr Oliveira amüsiert. «Piranhas sind zumeist scheu.»
    Amely wünschte sich, sie hätte das Buch mitgenommen. Aber sie hatte es ebenso wie den Karl May, der ohnehin in einer ganz anderen Gegend Südamerikas spielte, wutentbrannt unter ihr Bett geschleudert und nie wieder hervorgeholt. Durch das Opernglas sah sie eine Wolke von Libellen aufflattern, dass das Geäst bebte. Ihr stockte der Atem, als sie einen Papageienschwarm erblickte. Und dann, in einer grünschillernden Märchenwelt, einer wasserüberfluteten Lichtung, hockte eine düstere Gestalt in einem Kanu.
    «Ein Indianer mit einem Bogen auf dem Rücken», sagte sie erstaunt. «Nein, eine Indianerfrau. Und sie hat … etwas im Boot. Es sieht aus wie ein Krokodil. Ich muss mich täuschen.»
    «Darf ich?»
    Sie reichte Herrn
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