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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes
Autoren: Isabel Beto
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braungebrannt und die Haare mit Pomade gekämmt, machte vor ihr einen Diener und lüpfte seinen Hut. «Sie haben nichts zu befürchten, Senhorita Wehmeyer.»
    Verblüfft gehorchte Amely. Ihr stockte der Atem, als der grobschlächtige Polizist die Violine herausnahm. Seine Pranke schien das Instrument ohne jede Mühe zerdrücken zu können. Er befingerte das Samtpolster, nickte dann und legte die Geige zurück. Grußlos marschierte er weiter.
    «Wie gut, dass ich Sie rechtzeitig gefunden habe, Senhorita. Man hätte Sie sonst auf die Wache gezerrt, und dort hätte ich Sie nicht so bald gefunden. Es war unklug, sich vom Hafen zu entfernen …»
    «Wie konnte ich dort bleiben?» Amely kämpfte darum, ihre Stimme nicht weinerlich klingen zu lassen. «Wo man Hinrichtungen zusehen muss und jedes Kind aussieht, als trüge es eine ansteckende Krankheit mit sich! Was wollte der Kerl von mir?»
    Sichtlich unbeeindruckt von all den ungeheuerlichen Vorgängen, strich der Mann, während er unschuldig lächelte, seinen gestutzten Oberlippenbart glatt. Sein schlichter, aber überaus sauberer und zweifellos teurer Anzug mit Seidenbinder wirkte gänzlich fehl an diesem schrecklichen Ort. Er reichte ihr eine gepflegte Hand, die sie zögernd ergriff. «Encantado. Darf ich mich zunächst vorstellen: Tomás dos Santos Oliveira, rechte Hand Ihres baldigen Herrn Gemahls, der seine allerherzlichsten Grüße schickt. Er hat mich beauftragt, Sie abzuholen. Bedauerlicherweise kam ich um eine Winzigkeit zu spät, was bei den gewaltigen Entfernungen, die Sie und ich zurücklegen mussten, sicherlich nachvollziehbar, aber, wenn Sie es nicht möchten, nicht verzeihlich ist.»
    «Ich – ich verzeihe Ihnen», stotterte Amely überrumpelt.
    «Vielen Dank. Nun, die Sache mit dem Geigenkasten … Die Kontrollen sind in den Hafenstädten äußerst rigide. Man ist bestrebt, den Schmuggel von Kautschuksamen zu unterbinden. Denn wenn der Samen Brasilien verlässt und irgendwo anders auf der Welt erfolgreich angebaut wird, würde das einen Preisverfall und somit schlimme Folgen für die Region und im Besonderen Manaus haben. Es war sozusagen im Sinne Ihres zukünftigen Gatten, dass der Polizist seine Pflicht getan hat.»
    «Wie, er vermutete Kautschuksamen in meinem Geigenkoffer? Das ist doch albern.»
    «Ein Versteck muss ungewöhnlich sein, um erfolgreich zu sein.»
    «Aber es sind nur Körner. Man kann doch unmöglich verhindern, dass welche außer Landes geraten?»
    «Ziemlich dicke Körner; etwa wie der Stein eines Pfirsichs. Und es kommt auf die Menge an», erklärte er ihr freundlich und geduldig mit einem leichten Akzent, der sehr melodisch klang. «Es wäre eine Tonne Samen nötig, um nur eine Handvoll Pflanzen erfolgreich zu ziehen. Ein paar Körner in der Hosentasche sind praktisch bedeutungslos. Ein Sack, der in einen Violinenkasten passt, vielleicht nicht.»
    «Heißt das etwa, der Delinquent …» Sie stockte, weil es ihr so ungeheuerlich erschien. «Er war ein Samenschmuggler? Nichts weiter?»
    Tomás dos Santos Oliveira nickte.
    «Das ist barbarisch. Und dann noch vor aller Augen!»
    «Nun», er zeigte mit der feingliedrigen Hand eine Geste des Bedauerns. «Es zeitigt die nötige Wirkung. Die Republik der Vereinigten Staaten von Brasilien hat ihre eigenen Gesetze. Und Manaus erst recht.»
    Sollte es dort noch schlimmer sein? Sie musste ihrem Vater schreiben – er hätte sie nicht hergeschickt, hätte er von diesen Zuständen gewusst. Doch der Gedanke gab keine Hoffnung, er versetzte ihr nur einen schmerzlichen Stich. Denn würde sie es sich gestatten, an eine Rückkehr zu glauben, bedeutete das nur, den inneren Kampf zu verlängern.
    «Dann bringen Sie uns bitte nach Manaus, Herr … Oliveira.»
    «Es wird mir eine Ehre sein, Senhorita Wehmeyer.» In seiner gelassenen Miene glaubte sie Erleichterung zu bemerken, dass das kleine Zwischenspiel folgenlos geblieben war. «Bis dorthin sind es knapp zweihundert brasilianische Legua. In Kilometern ist das etwa sechsmal so viel. Es ist meine erfreuliche Pflicht, Ihnen die Reise auf dem Amazonas so angenehm wie möglich zu gestalten. Bitte bleiben Sie dicht bei mir.»
    Die Leute, selbst die zerlumpten Kinder, machten ihm bereitwillig Platz. Er schritt an den Kai, vorbei an ein paar rostigen Kuttern, von denen ein Großteil der Farbe abgeplatzt war. Vorbei an einem größeren Schiff, auf das Arbeiter in gebückter Haltung Säcke trugen.
    «Da sind die Koffer», rief Bärbel. «Gott sei
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