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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes
Autoren: Isabel Beto
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hatte sie Julius’ Photographie zerrissen. Er musste heraus aus ihrem Herzen und ihrem Kopf, wenn sie die ganze Angelegenheit für sich erträglich machen wollte.
    Nun vergaß man einen Menschen nicht, nur weil man es beschloss. Doch diese Welt hier schien sie eines Besseren belehren zu wollen. Nein, sie wollte nicht den fremden Kilian heiraten. Aber dass es hier geschah, hier in diesem farbenprächtigen Traum, erschien ihr in diesem Augenblick, da sie ungefährdet und vom Essen wohlig ermattet auf ihrem eigenen Schiff saß, als tröstendes Geschenk.
    Und auch Kilian werde ich ertragen
, überlegte sie.
Denn lieben will ich ohnehin keinen Mann mehr, nun, da ich weiß, dass Liebe jederzeit gestohlen werden kann
.
    Amely nippte von dem Rotwein. «Ich glaube, es ist das erste Mal, dass ich mich ein wenig auf das Ziel freue. Auch wenn mir alles noch, nun, ein wenig Angst macht.»
    «Vielleicht werden Sie es als angenehmer empfinden, Ihren Gemahl abseits der Stadt kennenzulernen. Er hält sich zur Zeit tagsüber in einem seiner Kautschukwälder auf. Möchten Sie sehen, wie sein Reichtum gewonnen wird?»
    «Ich soll in den Urwald? Ist das nicht gefährlich?»
    «Dieser Wald ist kein Urwald mehr, denn man hat das ganze Unterholz entfernt. Und die Schneise dorthin ist breit, den Weg müssen Sie also auch nicht fürchten. Lediglich die Malariamücken, aber dafür gibt es ja Netze. Wir werden in etwa drei Tagen dort sein.»
    Amely nickte. Es war ohnehin das Beste, die erste Begegnung so rasch wie möglich hinter sich zu bringen. «Wird Ruben denn auch dort sein? Ich bin gespannt, ob er sich an die Affaire Sauciere erinnert.»
    Herr Oliveira hob fragend eine Braue.
    «Eine alte Familiengeschichte.» Und eine völlig unwichtige, für ihn jedenfalls, dachte sie ob seines strengen Blickes. Rasch trank sie noch ein paar Schlucke, um ihre Verlegenheit zu überspielen.
    «Sein Sohn heißt Gero», erwiderte er.
    Die Schärfe in seiner sonst so sanften Stimme überraschte sie. «Ja, von Gero weiß ich», beeilte sie sich zu sagen. «Er ist zwei Jahre jünger, nicht wahr? Ihn und Kaspar, den Jüngsten, habe ich noch nie gesehen. Nein, ich meinte Ruben. Er war damals fünf Jahre alt, als …»
    «Gero», beharrte er. «Er hat nur diesen einen Sohn.»
    Sie ließ das Glas sinken. «Jetzt bin ich völlig verwirrt.»
    «Es ist so …» Seine Miene nahm wieder die ihr inzwischen vertraute Sanftheit an. «Kaspar starb an Malaria, Ruben wurde von Indianern getötet.»
    Eine rote Lache breitete sich auf dem Tischtuch aus. Ihr war das Glas entglitten, ohne dass sie es bemerkt hatte. Bärbel senkte ihren bleichen Kopf noch tiefer über den unberührten Teller.
    «Ruben …», flüsterte Amely. Der fünfjährige Fratz stand ihr vor Augen, wie er gezetert und geheult hatte. «Das kann doch nicht sein. Von Wilden … umgebracht? Warum?»
    «Es geschah während eines Ausflugs. Warum? Nun, einfach so. Die Indios sind zumeist friedlich, aber nicht alle. Von einem Stamm heißt es zum Beispiel, dass er tötet, nur um …»
    «Nein!» Amely schlug eine Hand vor das Gesicht. «Bitte keine Geschichten jetzt. Ich bin noch ganz fassungslos.»
    «Halten Sie still.»
    «Bitte?»
    Er erhob sich und kam um den Tisch herum. Zu ihrer Verblüffung griff er nach ihrem Unterarm und streckte ihn. Ein schwarzes Tierchen saß auf ihrem Handrücken. Amely war viel zu durcheinander, um sich zu erschrecken. Zumal sie mittlerweile weitaus größere Insekten gesehen hatte.
    Herr Oliveira zog ein Taschentuch aus seiner Weste, warf es über ihre Hand und nahm es wieder an sich. Er schritt zur Reling und schüttelte das Tuch über dem Fluss aus. Dann setzte er sich wieder. «Ich bitte um Entschuldigung. Die Ameise muss aus dem Fell des Faultiers gefallen sein.»
    «Ach, eine Ameise war das?»
    «Eine tropische Riesenameise. Ihr Gift hinterlässt zwar keine bleibenden Schäden, doch man erleidet einen Tag lang die schlimmsten Schmerzen. Als verbrenne man bei lebendigem Leib. Deshalb nennt man sie auch die Vierundzwanzig-Stunden-Ameise.»
    Bärbel verlor die letzte Farbe aus ihrem Gesicht. «Fräulein Amely, darf ich mich hinlegen?», keuchte sie. Und ohne eine Erlaubnis abzuwarten, sprang sie auf und wankte unter Deck. Amely rieb sich über die Hand, auf der die Ameise keine Spur hinterlassen hatte. Müsste sie nicht ebenfalls der Ohnmacht nahe sein? Aber angesichts der Nachricht über Kilians verstorbene Söhne fühlte sie nur Leere.
    «Verzeihen Sie die Unterbrechung,
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