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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin
Autoren: Beate Sauer
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wieder auf den Gang hinausgetreten.
    Zum Zeichen, dass er sie verstanden hatte, nickte er ihr kurz zu.
    Wie bei seinem letzten Besuch saß die Äbtissin in ihrem hochlehnigen Stuhl. Vor ihr auf dem schweren, vom Alter dunklen Eichentisch lagen ein Pergament und eine Feder.
    »Sieh an, der Medicus ist zurück«, bemerkte sie mit ihrer spröden, ein wenig spöttischen Stimme, während sie ihn abwägend betrachtete.
    Roger wies mit dem Kopf auf die Feder. »Immerhin scheint Euch mein Rat gegen die Gicht genutzt zu haben. Sonst könntet Ihr jetzt kaum selbst schreiben.«
    »Ja, das Mittel, das ich nach Euren Angaben zubereiten ließ, hat geholfen …« Ein rasches Lächeln glitt über ihr faltiges Gesicht und sie deutete auf einen Schemel. »Ihr habt Euch verändert, seit ich Euch zuletzt gesehen habe. Wenn ich Euch auch nicht sagen kann, auf welche Weise. Und Ihr habt Euch viel Zeit gelassen, bis Ihr wiedergekommen seid.«
    Er hob die Schultern. »Seither ist viel geschehen.«
    »In der Tat … Heinrich hat sich in Worms seinem Vater zu Füßen geworfen und ihn um Vergebung für sein aufrührerisches Tun angefleht. Eine Vergebung, die ihm jedoch nicht gewährt wurde. Stattdessen hat Friedrich ihn in Ketten nach Italien bringen lassen und beschlossen, die englische Prinzessin Isabella, die dem König zugedacht war, selbst zur Frau zu nehmen.« Die dünnen, knochigen Finger der Äbtissin berührten nachdenklich die Feder des Gänsekiels. »Im Mai und Juni hielt sich die Prinzessin einige Wochen lang hier in der Stadt auf. Ich hatte damit gerechnet, dass Ihr Euch dann einmal sehen lassen würdet. Oder meinetwegen auch im Juli, als unser Erzbischof Heinrich von Müllenark die Braut des Kaisers nach Worms begleitet hat …«
    »Ich gehörte nicht zu Friedrichs Gefolge.«
    »So?« Die Äbtissin bedachte ihn mit einem scharfen Blick. »In der Stadt liefen Gerüchte um, dass Enzio in der Lombardei ertrunken sein soll …«
    »Ja, er starb, als er vor Friedrichs Heer floh.«
    Die alte Frau nickte langsam. Ihr Gesicht blieb unbewegt und gab nichts preis von dem, was sie dachte.
    »Was ist mit Donata …? Der Dominikaner Bérard hat sie in Ruhe gelassen?«
    »Das hat er … Bérard ist fest davon überzeugt, dass Gott Donata alle Sünden der Ketzerei vergeben hat. Andernfalls hätte Er sie nicht zum Werkzeug Seiner Strafe an Enzio benutzt. Wobei Donata allerdings, schätze ich, ihre Zweifel an diesem göttlichen Plan hat. Aber das muss der Dominikaner nicht wissen.«
    Roger zögerte. »Sie ist noch in der Stadt?«
    »Ja, das ist sie. Sie arbeitet in unserem Skriptorium als Buchmalerin und hat eine Kammer im Haus der Beginen bezogen.«
    »Es geht ihr gut?«
    Der Klang einer Glocke tönte durch den Raum. Die alte Frau lauschte den hellen Lauten einige Momente nach, ehe sie sich erhob. »Ob es Donata gut geht? Das solltet Ihr sie selbst fragen. Ihr müsstet sie allein im Skriptorium antreffen, denn wir Nonnen versammeln uns jetzt zur Vesper. Geht den Arkadengang bis zum Ende und biegt dann in den linken Flur. Hinter der zweiten Tür befindet sich das Skriptorium.«
    An der Tür wandte sie sich noch einmal zu Roger um. »Donata ist und bleibt ein Zugvogel. Und was Euch anbelangt … Ich weiß nun, inwiefern Ihr Euch verändert habt. Früher wirktet Ihr wie jemand, der gut in jeder Menge verschwinden kann, ohne aufzufallen. Ich glaube, mittlerweile wird Euch dies nicht mehr gelingen.«
    Roger wartete, bis die Geräusche verklungen waren, die die Sandalen der Nonnen auf den Steinfliesen des Arkadenganges verursachten. Dann verließ er das Gemach der Äbtissin und folgte ihrer Beschreibung, bis er vor einer Holztür angelangt war. Einige Augenblicke blieb er stehen und besann sich. Noch konnte er umkehren.
    Doch schließlich drückte er die schwere Klinke hinunter und zog die Tür auf. Er befand sich auf der Schwelle eines lang gezogenen, schmalen Raums. Vor einem Tisch am anderen Ende stand Donata, die ihm den Rücken zukehrte. Mit einem Lappen, der ölig schimmerte und grüne Farbspuren aufwies, rieb sie über eine aufgeraute Glasplatte.
    Die Fenster auf der einen Seite des Raums waren verglast und teilweise geöffnet. Pulte standen davor, deren Holz im Abendlicht einen tiefen Ockerton hatte. Auf manchen von ihnen waren Pergamentbogen ausgebreitet, deren Beschriftungen unterschiedlich weit fortgeschritten waren. Als Roger langsam durch den Raum schritt, bemerkte er auf einem davon auch eine farbig gefasste Initiale. Er war jedoch zu
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