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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin
Autoren: Beate Sauer
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brach ein junger Mann aus der Familie Herkenrath das lastende Schweigen.
    »Ich glaube der Äbtissin – die Beginen und den Begarden trifft keine Schuld am Tod des Inquisitors«, kam Abt Hugo Luitgards Verwandtem zu Hilfe. »Enzio von Trient hat nicht nur Gisbert umgebracht und eine Verschwörung gegen Papst und Kaiser angezettelt. Er hat auch einen Gefolgsmann des Königs und einen Kundschafter des Kaisers umbringen lassen, weil die beiden seinen Plänen gefährlich werden konnten.«
    »Schweigt!«, donnerte der Kardinal ihn an. »Ihr habt mir in Eurem Kloster Gastfreundschaft gewährt. Deshalb wollte ich Euch gegenüber Nachsicht walten lassen. Doch ich muss erkennen, dass das Gift der Ketzerei auch in Euch wirksam ist.«
    »Macht kurzen Prozess mit den Dienern des Bösen!«
    »Lasst nicht zu, dass sie uns Schaden zufügen!«
    »Die Beginen sind allesamt Mörderinnen!«, wurden wieder wütende Schreie laut.
    »Ich war der Beichtvater der Begine Bilhildis. Sie war niemals mit dem Bösen im Bunde«, ertönte jetzt mitten aus der Menschenmenge die zittrige Stimme des Dominikaners Willigis. »Bilhildis konnte keinem Menschen etwas zu Leide tun. Viele von euch haben ihre Heilkunst in Anspruch genommen. Bilhildis hat versucht, euch zu helfen, so gut sie nur konnte. Habt ihr das alles vergessen? Wie könnt ihr nur glauben, dass sie das Messer verzaubert hat, mit dem Gisbert, mein Ordensbruder, getötet wurde.«
    »Bilhildis hat meinen kleinen Sohn gerettet, der sich an heißer Lauge verbrüht hatte.« Eine ältliche Frau mit einem reizlosen Gesicht hatte, reckte sich zwischen den Leuten auf die Zehenspitzen. »Ohne Bilhildis’ Hilfe wäre er gestorben. Ich kann nicht glauben, dass sie eine Mörderin ist.«
    »Sie war eine Zauberin!«
    »Bilhildis hat die Werkstatt der Seidenstickerin in Brand gesteckt!«
    »Sie hat mich von einem schweren Fieber befreit!« Ein Für und Wider aufgebrachter Stimmen erscholl.
    »Ermentraud und Plektrudis, meine Schwestern, sind gottesfürchtige Frauen, sie hängen der Ketzerei nicht an!«, brüllte ein wohlhabend gekleideter Mann.
    »Auch Lioba ist unschuldig«, mischte sich nun eine Gruppe Bauern lautstark in den Streit ein, die am Rand des Platzes stand.
    »Von wegen … Eure Mutter hängt den alten Göttern an!«, versuchte ein anderer Bauer, die Männer zu übertönen.
    Liobas Verwandte stürzten sich auf ihn. Auch anderswo auf dem Platz flogen nun die Fäuste. Zorniges Gekreische und Schmerzensschreie wurden laut. Ineinander verkeilte Menschen fielen zu Boden.
    Für einige Momente hatte das Geschehen dem Kardinal die Sprache verschlagen und er hatte fassungslos verfolgt, wie die Menge ihm zu entgleiten drohte. Doch nun hatte er sich wieder in der Gewalt.
    »Ja, die Ketzer erheben mächtig ihr Haupt!«, rief er schallend. »Lasst nicht zu, dass sie triumphieren!« Auf ein Zeichen des Kardinals hin, drängten sich seine Soldaten, die des Erzbischofs sowie die des Königs rücksichtslos zwischen die Menschen.
    Als der Tumult losbrach, hatte Donata verzweifelt gehofft, dass sich vielleicht doch noch alles zum Guten wenden und das Volk der Äbtissin und ihr Glauben schenken würde. Doch nun zeigte sich, wie vergebens diese Hoffnung gewesen war. Die Soldaten kreisten den Abt und Luitgards Verwandte ein und schlugen sie – trotz heftiger Gegenwehr – zusammen.
    Auch die übrigen Fürsprecher der Beginen wurden rasch von den bewaffneten, kampferprobten Männern überwältigt. Die Mehrzahl des Volkes stand ohnehin auf Seiten des Kardinals und unterstützte die Soldaten nur zu gern mit ihren Fäusten. Schließlich wurden Enzios Gegner am Rand des Platzes zusammengetrieben, wo ein Teil der Soldaten sie mit gezogenen Waffen bewachte und dafür sorgte, dass sie sich ruhig verhielten.
    Der Kardinal hatte den ungleichen Kampf gelassen verfolgt. Als wieder Ruhe auf dem Platz eingekehrt war, ergriff er erneut das Wort. Seine Stimme hatte einen schneidenden Klang.
    »Wirklich … die Ketzerei ist ein schlimmes Gift. Alle diese Menschen«, er wies auf diejenigen, die den Beginen beigestanden hatten, »tragen es in sich. Aber sie werden nicht über den reinen Glauben siegen.«
    Bisher hatte Enzio Donata völlig ignoriert. Doch nun wandte er sich ihr unvermittelt zu. »Du, die du dieses Gift schon so lange in dir trägst, wagst du es immer noch frech zu behaupten, ich sei der Mörder des Inquisitors?«
    Kalt und spöttisch betrachtete er sie. Wie schon im Hof der alten Basilika, als der Kardinal sie zu
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