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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin
Autoren: Beate Sauer
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sich gerufen hatte, fühlte Donata sich wie gebannt von seinem Blick. Sie hasste Enzio mit aller Kraft, der sie fähig war. Gleichzeitig wollten ihre Lippen ihr nicht gehorchen.
    »Nun? Bist du wenigstens bereit, von dieser Lüge abzulassen?«
    »Ich …« Sie konnte kaum flüstern.
    »Ja?«
    »Ich …« Donatas Stimme erschien ihr sehr fremd und immer noch sehr leise. »Ich … ich habe beobachtet, dass Ihr den Inquisitor erstochen habt.«
    Enzio gab einem der Soldaten ein Zeichen. Dieser trat zu Donata und hieb ihr mit aller Kraft ins Gesicht. Sie stieß einen unterdrückten Schrei aus, Blut rann aus ihrer Nase und ihrem Mund.
    »Diese Frau sagt die Wahrheit!« Die Äbtissin war an Donatas Seite getreten.
    »Schweigt«, fuhr Enzio sie an. »Aus der Dreistigkeit, mit der Ihr diese Ungeheuerlichkeit vorbringt, spricht die Kraft des Bösen.«
    Er schwieg einen Augenblick, um seine Worte wirken zu lassen. Die Menge verfolgte das Geschehen auf dem Podium nun in atemlosen Schweigen. Der Kardinal wies mit einer verächtlichen Geste auf Donata. »Die ungeheuerliche Verworfenheit dieser Frau, die einige Zeit unter dem Dach der Beginen lebte, können mehrere Menschen bezeugen. Zwei Schreiber, die beobachteten, wie sie die Scheune des Benediktinerklosters Mayenfeld an der Mosel in Brand steckte. Und außerdem der Dominikanermönch Bérard, der vor einigen Jahren mit einem Inquisitionsprozess gegen sie befasst war!«

    *

    Zusammen mit den Mönchen der Abtei Maria Laach war Roger in dem Moment auf dem Platz eingetroffen, als die Soldaten den Tumult fast niedergeschlagen hatten. In dem allgemeinen Durcheinander war es ihnen gelungen, sich unter die Leute zu mischen. Roger hörte, wie Enzio Donata aufforderte, ihn des Mordes zu beschuldigen, und er vernahm ihre Antwort. Leise, aber doch zu verstehen. Wieder übermannte ihn die Angst, zu spät gekommen zu sein.
    Während er sich weiter durch die Menge kämpfte, redete eine ihm unbekannte Männerstimme auf dem Podium, die von einem leidenschaftlichen Zorn erfüllt war: »Dieses Weib, Donata, ist ein Ausbund an Verderbtheit. Ich selbst musste sie vor bald vier Jahren als Inquisitor zu ihrem gottlosen Treiben befragen. Einmal hat die Inquisition ihr gegenüber Milde bewiesen. Doch sie hat diese Nachsicht schlecht gedankt. Statt die Strafe willig auf sich zu nehmen und sich der Buße zu unterwerfen, hat sie sich weiter dem Ketzertum und dem Bösen ergeben und wurde in ihrem Tun schlimmer und schlimmer. Ja, es sieht ihr ähnlich, dass sie noch nicht einmal davor zurückschreckt, einen päpstlichen Legaten mit einer frechen Lüge zu besudeln. Ähnlich wie eine Schlange, die ihr Gift versprüht …«
    Als Roger nur noch zwei Reihen von Menschen von dem hölzernen Podium trennten, blieb er stehen. Die Stimme, dies erkannte er nun, gehörte einem Mönch, der die Tracht der Dominikaner trug. Rogers Blick wanderte weiter, suchte Donata. Er erschrak. Nicht nur weil ihr Gesicht blutverschmiert war, sondern auch wegen seines Ausdrucks. Er hatte sie bisher zornig und verzweifelt erlebt, aber immer entschlossen, sich gegen das zu wehren, was mit ihr geschah. Doch nun schien eine dumpfe Gleichgültigkeit sie erfasst zu haben.
    Hastig nahm er das übrige Geschehen in sich auf. Die Äbtissin, auf deren Gesicht sich eine grimmige Verzweiflung abzeichnete. Enzio, der an der Seite Heinrich von Müllenarks gelassen auf einem Stuhl saß. Eine Gruppe von abgehärmten Frauen hinten auf dem Podium. Soldaten, die das Podest umringten. Zwischen ihnen stand Léon.
    Der Dominikaner hob jetzt seine Stimme und wies mit ausgestrecktem Arm auf Donata. »Wie heißt es in der Schrift: An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen!«
    »Ja, bringt sie auf den Scheiterhaufen!«
    »Verbrennt die Ketzerin!«, kreischte ein Chor von wütenden Stimmen.
    Wie aus großer Ferne nahm Roger das Lärmen das Volkes wahr. Ohne recht zu wissen, was er tat, drängte er sich weiter nach vorn. Er hatte die Menge jetzt hinter sich gelassen und befand sich den Soldaten gegenüber. Er schnellte vor und es gelang ihm, ihre Reihe zu durchbrechen. Einige von ihnen setzten ihm nach, doch er erreichte die Plattform, ehe sie ihn fassen konnten. Donatas Augen weiteten sich. Die Äbtissin vollführte eine rasche Bewegung, als wollte sie auf ihn zugehen. Enzio zuckte zusammen, als er ihn erkannte.
    Als Roger an den Rand des Podiums trat, um sich an das Volk zu wenden,
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