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Die Brücke am Kwai

Die Brücke am Kwai

Titel: Die Brücke am Kwai
Autoren: Pierre Boulle
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ihm eine unstatthafte Beleidigung zugefügt habe, als er seine Befehle zur Debatte stellte, und glitt vom Mißtrauen unmerklich in finstere Wut hinüber.
    Als kurz vor Sonnenuntergang seine Wut ihren höchsten Gipfel erreicht hatte, beschloß er, augenblicklich seine Autorität zu festigen, und befahl ein allgemeines Antreten.
    Auch er hatte die Absicht, eine Brandrede zu halten. Es war schon am Anfang seiner Rede klar, daß sich über dem Kwai-Fluß unheilvolle Wolken türmten.
    »Ich hasse die Briten ...«
    Mit dieser Formel hatte er begonnen und setzte sie wie Interpunktionszeichen zwischen seine Sätze. Er drückte sich ziemlich gut englisch aus, da er früher in einem englischen Land den Posten eines Militärattaches innegehabt hatte, den er wegen seiner Trunksucht hatte verlassen müssen. Seine Laufbahn endete jämmerlich in diesen Funktionen des Gefangenenaufsehers, ohne daß er auf eine Beförderung hoffen konnte. Sein Groll gegen die Gefangenen enthielt die ganze Erniedrigung, die er empfunden hatte, als er nicht an den Kampfhandlungen teilnehmen durfte.
    »Ich hasse die Briten«, begann Oberst Saito. »Ihr seid hier, völlig meinem Befehl unterstellt, um die für den Sieg der großen japanischen Armee notwendigen Arbeiten auszuführen. Ich habe euch ein für allemal sagen wollen, daß ich nicht die geringste Erörterung meiner Befehle dulden werde. Ich hasse die Briten. Bei dem ersten Protest werde ich euch auf gräßliche Weise bestrafen. Die Disziplin muß aufrechterhalten bleiben. Wenn sich gewisse Leute vorgenommen haben, ihren Kopf durchzusetzen, so sind sie hiermit gewarnt, daß ich das Recht besitze, über euer aller Leben und Tod zu entscheiden. Ich werde nicht zögern, von diesem Recht Gebrauch zu machen, um die gute Ausführung der Arbeiten sicherzustellen, die mir Seine Majestät der Kaiser anvertraute. Ich hasse die Briten. Der Tod einiger Gefangener wird mich nicht berühren. Euer aller Tod ist für einen höheren Offizier der großen japanischen Armee ohne jegliche Bedeutung.«
    Er war auf einen Tisch geklettert, wie es der General Yamashita getan hatte. Wie dieser hatte er es für richtig erachtet, ein paar hellgraue Handschuhe und spiegelblanke Schaftstiefel anstelle der Pantoffeln zu tragen, mit denen man ihn frühmorgens hatte herumgehen sehen. Er hatte selbstverständlich seinen Säbel umgeschnallt und schlug jeden Augenblick auf den Griff, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen oder um sich in einen überreizten Zustand zu versetzen und sich die Wut zu erhalten, die er für unentbehrlich hielt. Er war grotesk. Sein Kopf bewegte sich heftig hin und her wie bei einem Hampelmann. Er war betrunken, betrunken von europäischem Alkohol, von dem Whisky und dem Kognak, den man in Rangun und Singapur zurückgelassen hatte.
    Während Clipton diesem Redeschwall, der schmerzhaft an seinen Nerven riß, zuhörte, erinnerte er sich an einen Rat, der ihm früher einmal von einem Freund gegeben worden war, der lange unter Japanern gelebt hatte: »Wenn Sie mit ihnen zu tun haben, vergessen Sie niemals, daß dieses Volk seine göttliche Herkunft als ein unbestreitbares Glaubensbekenntnis betrachtet.« Jedoch stellte er nach einigem Nachdenken fest, daß kein Volk der Erde den geringsten Zweifel hinsichtlich der eigenen mehr oder weniger weit zurückliegenden göttlichen Abstammung hegt. Er suchte also nach anderen Motiven für diese rechthaberische Vermessenheit und kam zu der Überzeugung, daß Saitos Rede viele grundsätzliche Bestandteile einer universellen Geisteshaltung entlehnte, die ebenso östlich wie westlich war. Er erkannte in ihrem Verlauf und begrüßte in allen Sätzen, die von den Lippen des Japaners explodierten, verschiedene Einflüsse: den Rassenstolz, den mystischen Autoritätsglauben, die Furcht, nicht ernst genommen zu werden, einen bizarren Komplex, der ihn veranlaßte, einen argwöhnischen und unruhigen Blick auf die Gesichter zu werfen, so als fürchte er, dort ein Lächeln zu sehen. Saito hatte in einem britischen Lande gelebt. Er wußte natürlich, daß gewisse japanische Ansprüche dort oft ins Lächerliche gezogen wurden, und er kannte die Witze, die das von einer völlig humorlosen Nation nachgeäffte Benehmen bei einem Volk auslöste, das einen instinktiven Sinn für Humor besaß. Die rohe, ungeschliffene Art seiner Redewendungen und seine unbeherrschten Gesten mußte man indessen einem Rest primitiver Wildheit zuschreiben. Clipton hatte, als er ihn von Disziplin sprechen
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