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Die Brücke am Kwai

Die Brücke am Kwai

Titel: Die Brücke am Kwai
Autoren: Pierre Boulle
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Konvention enthalten waren, die er den Japanern seelenruhig unter die Nase hielt, sooft sie gegen eines dieser internationalen Gesetze verstoßen hatten. Auch sein persönlicher Mut und seine völlige Mißachtung körperlicher Gewalttätigkeiten trugen sicher zu seiner Autorität bei. Bei mehreren Gelegenheiten, als die Japaner die den Siegern zustehenden Rechte überschritten hatten, hatte er sich nicht damit zufriedengegeben, zu protestieren. Er war persönlich vorstellig geworden. Einmal war er von einem besonders ungehobelten Posten, der ungesetzliche Anforderungen gestellt hatte, brutal geschlagen worden. Ihm war es am Ende gelungen, den Fall zu seinen Gunsten zu entscheiden, und sein Angreifer war bestraft worden. Daraufhin hatte er seine eigene Dienstvorschrift verschärft, die viel tyrannischer war als die Launen der Japaner.
    »Das Wesentliche«, sagte er zu Clipton, als dieser ihm klarzumachen versuchte, daß die Umstände vielleicht von seiner Seite aus ein gewisses Entgegenkommen gestatteten, »das Wesentliche besteht darin, daß die Leute das Gefühl haben, daß sie immer noch unter unserem Befehl und nicht unter dem dieser gelben Affen stehen. Solange sie in dieser Vorstellung gehalten werden, werden sie Soldaten sein und keine Sklaven.«
    Der immer unparteiische Clipton gab zu, daß diese Worte sinnvoll waren und daß das Verhalten seines Obersten immer von ausgezeichneten Leitgedanken bestimmt wurde.

2
    An die im Lager von Singapur verbrachten Monate erinnerten sich die Gefangenen nunmehr wie an eine glückselige Zeit und dachten mit Seufzern bedauernd an sie zurück, sooft sie ihre gegenwärtige Lage in dieser ungastlichen Gegend von Thailand betrachteten. Sie waren dort nach einer endlosen Eisenbahnfahrt quer durch ganz Malakka angekommen, auf die ein aufreibender Marsch folgte, in dessen Verlauf sie – bereits von Klima und mangelhafter Ernährung geschwächt – nach und nach die schwersten und die wertvollsten Stücke ihrer jämmerlichen Ausrüstung zurückgelassen hatten ohne jegliche Hoffnung, sie je wiederzufinden. Das Gerücht von der Bahnlinie, die sie bauen sollten, stimmte sie auch nicht gerade optimistisch.
    Oberst Nicholson und seine Einheit waren kurze Zeit nach den anderen abtransportiert worden, und die Arbeit hatte bereits begonnen, als sie in Thailand eintrafen. Nach dem aufreibenden Fußmarsch waren die ersten Berührungen mit den neuen japanischen Vorgesetzten wenig ermutigend gewesen. In Singapur hatten sie es mit Soldaten zu tun gehabt, die nach dem ersten Siegesrausch und abgesehen von einigen ziemlich seltenen Ausbrüchen primitiver Wildheit sich nicht viel tyrannischer gezeigt hatten als abendländische Sieger. Ganz anders schien die Mentalität der Offiziere zu sein, die dazu bestimmt waren, die alliierten Gefangenen längs der Eisenbahnstrecke zusammenzuhalten. Gleich von Anfang an hatten sie sich wie grimmige Sträflingsaufseher aufgeführt, die willens waren, sich in sadistische Folterknechte zu verwandeln.
    Oberst Nicholson und die Reste des Regiments, das zu befehligen er sich noch rühmte, waren zuerst in einem riesigen Lager aufgenommen worden, das sämtlichen Transporten als Auffangstelle diente. Ein Abschnitt dieses Lagers war von einer dort stationierten Arbeitsgruppe besetzt. Sie waren dort nur kurze Zeit geblieben, hatten sich aber darüber klarwerden können, was von ihnen erwartet wurde und wie die Lebensbedingungen sein würden, denen sie sich bis zur Vollendung der Arbeit zu unterwerfen hatten. Die Unglücklichen arbeiteten wie Lasttiere: das tägliche Soll, das ihnen auferlegt war, wäre für robuste und gutgenährte Männer vielleicht nicht zu hoch gewesen, die bedauernswerten, abgemagerten Kreaturen aber, die sie in weniger als zwei Monaten geworden waren, konnten es nur erfüllen, indem sie vom Morgengrauen bis zur Dämmerung und manchmal noch einen Teil der Nacht auf der Baustelle schufteten. Sie wurden durch die Flüche und Schläge, die die Wachen bei dem geringsten Versagen auf sie niederhageln ließen, entmutigt und demoralisiert und von der Furcht vor noch schrecklicheren Strafen gequält.
    Clipton war erschüttert über ihre körperliche Verfassung.
    Malaria, Ruhr, Beriberi und Geschwüre waren an der Tagesordnung, und der Lagerarzt hatte ihm anvertraut, daß er noch viel schlimmere Seuchen befürchte, ohne Maßnahmen treffen zu können, ihnen vorzubeugen. Er besaß nicht eines der primitivsten Medikamente.
    Oberst Nicholson hatte die Stirn
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