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Die Brücke am Kwai

Die Brücke am Kwai

Titel: Die Brücke am Kwai
Autoren: Pierre Boulle
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Wort heute abend besteht darin, euch an den Grundsatz des Generals Yamashita zu erinnern: >Arbeitet freudig und mit Eifer!< Daran sollt ihr denken.«
    Saito stieg von seiner Tribüne herab und begab sich mit großen, wütenden Schritten wieder in sein Hauptquartier.
    Die Gefangenen traten weg und strebten ihren Baracken zu, peinlich berührt von dieser zusammenhanglosen Ansprache.
    »Er scheint nicht begriffen zu haben, Sir; ich glaube, daß man auf die internationalen Konventionen hinweisen muß«, sagte Clipton zu Oberst Nicholson, der schweigend und nachdenklich stehengeblieben war.
    »Ich glaube es auch, Clipton«, antwortete der Oberst ernst, »und ich fürchte, daß wir eine unruhvolle Zeit vor uns haben.«

4
    Einen Augenblick lang fürchtete Clipton, daß die vom Oberst vorausgesehene unruhevolle Zeit nur von kurzer Dauer sein werde und, kaum begonnen, in einer schrecklichen Tragödie enden könnte. Als Arzt war er der einzige Offizier, der nicht unmittelbar an dem Streit interessiert war. Er war schon mit Arbeit überhäuft durch die Pflege, die er den vielen Fußkranken, den Opfern des gräßlichen Marsches durch den Dschungel, zuteil werden lassen mußte, und gehörte keiner Arbeitsmannschaft an. Aber deshalb war seine Angst nicht geringer, als er dem ersten Zusammenstoß vor der mit dem pompösen Namen »Lazarett« bezeichneten Baracke beiwohnte, in die er sich vor Morgengrauen begeben hatte.
    Nächtlich von den Pfeifensignalen und dem Geschrei der Wachposten geweckt, waren die Mannschaften mißmutig angetreten, immer noch ermattet, denn sie hatten sich infolge der Moskitos und ihrer jämmerlichen Unterbringung noch nicht erholen können. Die Offiziere hatten an dem ihnen angewiesenen Ort Aufstellung genommen. Oberst Nicholson hatte ihnen genaue Anweisung gegeben.
    »Man muß einen Beweis des guten Willens geben«, hatte er gesagt, »soweit sich dies noch mit unserer Ehre vereinbaren läßt. Auch ich werde beim Antreten dabeisein.«
    Es war selbstverständlich, daß der Gehorsam gegenüber den Befehlen von Saito dort eine Grenze haben werde.
    Sie blieben lange reglos in der kalten, feuchten Luft stehen, dann sahen sie, als der Tag graute, Oberst Saito, umgeben von einigen untergeordneten Offizieren, vor dem Ingenieur, der die Arbeiten leiten sollte, herankommen. Es schien, als habe er die Stirn gerunzelt, aber sein Gesicht hellte sich auf, als er die Gruppe britischer Offiziere hinter ihrem Chef aufgereiht erblickte.
    Ein mit Werkzeugen beladener Lastwagen folgte den Offizieren. Während der Ingenieur sich mit der Verteilung beschäftigte, trat Oberst Nicholson einen Schritt vor und bat um ein Gespräch mit Saito. Dessen Blick verdunkelte sich. Er äußerte kein Wort, doch der Oberst tat so, als nehme er sein Schweigen als eine Zustimmung, und näherte sich ihm.
    Clipton konnte seinem Mienenspiel nicht folgen, denn Oberst Nicholson wandte ihm den Rücken zu. Einen Augenblick später änderte er seine Stellung und war im Profil zu sehen, und der Arzt sah, wie er dem Japaner ein kleines Buch unter die Nase hielt, wobei er mit dem Finger einen Absatz darin unterstrich. Es handelte sich ohne Zweifel um das »manual of military law«. Saito blieb zögernd stehen. Clipton dachte einen Augenblick, daß die Nacht ihn vielleicht in eine bessere Stimmung versetzt habe, doch er begriff schnell, wie trügerisch seine Hoffnung war. Nach seiner Rede am Vorabend diktierte die Verpflichtung, »das Gesicht zu wahren«, gebieterisch sein Verhalten, selbst wenn sich sein Zorn gelegt hatte. Sein Gesicht lief purpurrot an. Er hatte gehofft, daß er dieser Geschichte ein Ende gemacht habe, und jetzt kam dieser Oberst und zeigte sich dickköpfig. Mit einem Schlage wurde er durch diese Starrsinnigkeit wieder in eine hysterische Wut zurückgeworfen. Oberst Nicholson las mit leiser Stimme, mit dem Finger den Zeilen folgend, ohne diese Verwandlung zu bemerken. Clipton, der das Mienenspiel des Japaners verfolgte, hätte um ein Haar aufgeschrien, um seinen Chef zu warnen. Es war zu spät. Mit zwei schnellen Bewegungen hatte Saito das Buch fortgeschlagen und den Obersten geohrfeigt. Er stand jetzt vor ihm mit nach vorn gebeugtem Oberkörper, die Augen traten ihm aus dem Kopf, er fuchtelte umher und stieß groteskerweise abwechselnd englische und japanische Flüche aus.
    Trotz seiner Überraschung, denn er hatte diese Reaktion nicht erwartet, bewahrte Oberst Nicholson seine Ruhe. Er nahm das in den Schmutz gefallene Buch auf, richtete
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