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Die Brücke am Kwai

Die Brücke am Kwai

Titel: Die Brücke am Kwai
Autoren: Pierre Boulle
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auseinandersetzen!«
    Oberst Nicholson warf ihm einen strengen Blick zu.
    »Das genügt, Clipton. Mir muß man gar nichts auseinandersetzen. Ich weiß sehr wohl, was ich tue.«
    Der Arzt hätte übrigens gar nicht die Zeit gehabt, die Gruppe zu erreichen. Zwei Wachposten hatten sich in roher Weise seiner bemächtigt und hielten ihn fest. Doch sein jähes Herauskommen schien Saito immerhin zum Nachdenken gebracht zu haben. Er zögerte. Sehr schnell rief ihm Clipton, in der Überzeugung, daß die übrigen Japaner ihn nicht verstehen würden, zu:
    »Ich mache Sie darauf aufmerksam, Oberst, daß ich Zeuge dieses ganzen Vorgangs gewesen bin, ich und ebenso die vierzig Kranken im Lazarett. Es wird nicht möglich sein, sich auf eine allgemeine Revolte oder einen Ausbruchsversuch zu berufen.«
    Das war die letzte Karte, die auszuspielen gefährlich war.
    Selbst in den Augen der japanischen Machthaber hätte Saito diese Hinrichtung nicht ohne einen Vorwand rechtfertigen können. Er durfte keinen britischen Zeugen dabei haben. Entweder mußte er, wenn er bis zum Äußersten konsequent vorgehen wollte, sämtliche Kranken mit ihrem Arzt umbringen lassen oder auf seine Rache verzichten.
    Clipton spürte, daß er vorübergehend das Spiel gewonnen hatte. Saito schien einen langen Augenblick nachzudenken.
    Er erstickte fast in seinem Haß und der Demütigung durch die Niederlage, aber er gab den Schießbefehl nicht.
    Er gab übrigens den Bedienungsmannschaften, die vor ihren Maschinengewehren mit der Waffe im Anschlag hocken blieben, auch keinen anderen Befehl. So verblieben sie lange, sehr lange, denn Saito konnte es sich nicht leisten, durch den Befehl, die Waffen fortzuschaffen, »das Gesicht zu verlieren«. So verbrachten sie einen großen Teil des Vormittags, ohne sich von der Stelle zu wagen, bis der Sammelplatz ganz verlassen war.
    Es war ein sehr relativer Erfolg, und Clipton wagte kaum an das Los zu denken, das die Rebellen erwartete. Er tröstete sich, indem er sich sagte, daß er das Schlimmste verhindert habe. Die Wachposten führten die Offiziere in das Lagergefängnis. Oberst Nicholson wurde von zwei riesigen Koreanern fortgeschleppt, die zur persönlichen Wache Saitos gehörten. Er wurde in das Dienstzimmer des japanischen Obersten geführt, einen kleinen Raum, der an seinen Wohnraum angrenzte, was ihm gestattete, seiner Alkoholreserve einen häufigen Besuch abzustatten. Saito folgte langsam seinem Gefangenen und knallte die Tür fest zu.
    Bald zitterte Clipton, der im Grunde ein empfindsames Herz hatte, als er den Lärm von Schlägen hörte.

5
    Nachdem man ihn eine halbe Stunde geschlagen hatte, wurde der Oberst in eine Hütte geschafft, die weder eine Lagerstätte noch eine Sitzgelegenheit hatte und in der er gezwungen war, sich auf dem feuchten Dreck, der den Boden bedeckte, auszustrecken, sobald er vom Stehen ermüdet war. Man gab ihm als Nahrung eine Schale Reis, der mit Salz bedeckt war, und Saito verständigte ihn, daß er ihn dort so lange belassen würde, bis er sich entschlossen habe, zu gehorchen.
    Während einer Woche sah er kein anderes Gesicht als das eines koreanischen Wachpostens, eines Rohlings mit einem Gorillagesicht, der jeden Tag eigenhändig noch ein wenig mehr Salz zu der Reisration hinzufügte. Er zwang sich indessen, einige Mundvoll hinunterzuschlucken, und schüttete dann mit einem einzigen Schluck seine unzureichende Wasserration hinunter und legte sich auf den Boden, wo er versuchte, über seine Leiden mit Geringschätzung hinwegzukommen. Es war ihm verboten, seine Zelle zu verlassen, die zu einer widerlichen Kloake wurde.
    Nach Ablauf dieser Woche erhielt Clipton endlich die Erlaubnis, ihm einen Besuch zu machen. Vorher wurde der Arzt zu Saito befohlen, dessen düstere Miene, wie er feststellte, die eines ängstlichen Despoten war. Er erriet, daß er zwischen dem Zorn und der besorgten Unruhe hin und her schwankte, die er unter einem kalten Ton zu verbergen trachtete.
    »Ich bin nicht verantwortlich für das, was geschieht«, sagte er. »Die Brücke über den Kwai-Fluß muß schnell gebaut werden, und ein japanischer Offizier kann diese Herausforderung nicht dulden. Bringen Sie ihm bei, daß ich nicht nachgeben werde. Sagen Sie ihm, daß durch seine Schuld sämtliche Offiziere die gleiche Behandlung erfahren. Wenn das nicht genügt, werden die Soldaten unter seiner Starrköpfigkeit zu leiden haben. Sie habe ich bisher in Ruhe gelassen, Sie und Ihre Kranken. Ich habe meine Güte so weit
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