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Die Brücke am Kwai

Die Brücke am Kwai

Titel: Die Brücke am Kwai
Autoren: Pierre Boulle
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sich vor dem Japaner, den er um Haupteslänge überragte, auf und sagte schlicht:
    »Unter diesen Umständen, Oberst Saito, werden wir, da die japanischen Machthaber sich nicht den in der zivilisierten Welt gültigen Gesetzen beugen, uns von jeder Gehorsamspflicht Ihnen gegenüber entbunden fühlen. Mir bleibt nur noch, Sie von den Befehlen in Kenntnis zu setzen, die ich gegeben habe.
    Die Offiziere werden nicht arbeiten.«
    Nachdem er so gesprochen hatte, ließ er passiv und schweigend einen zweiten, noch roheren Überfall über sich ergehen. Saito, der den Verstand verloren zu haben schien, warf sich auf ihn und hämmerte ihm, indem er sich auf die Zehenspitzen stellte, mit den Fäusten ins Gesicht.
    Die Angelegenheit fing an, bedrohlich zu werden. Einige englische Offiziere traten aus Reih und Glied hervor und näherten sich in drohender Haltung. Von der Truppe her war ein Murren zu vernehmen. Die japanischen Unteroffiziere brüllten kurze Kommandos, und die Soldaten brachten ihre Waffen in Anschlag. Oberst Nicholson bat seine Offiziere, wieder ihren Platz einzunehmen, und befahl seinen Mannschaften, Ruhe zu bewahren. Das Blut rann von seinem Mund, aber er hatte einen Gesichtsausdruck unveränderlicher Überlegenheit beibehalten.
    Saito, außer Atem, wich zurück und machte eine Bewegung, als wolle er seinen Revolver ziehen; dann aber schien er sich eines Besseren zu besinnen. Er wich noch weiter zurück und gab mit einer gefährlich ruhigen Stimme Befehle.
    Die japanischen Wachposten umringten die Kriegsgefangenen und gaben ihnen durch Zeichen zu verstehen, daß sie sich in Marsch setzen sollten. Sie führten sie in Richtung auf den Fluß zu der Baustelle. Es kam zu Protesten und einigen ohnmächtigen Widerstandsversuchen. Mehrere besorgte Blicke richteten sich fragend auf Oberst Nicholson.
    Dieser bedeutete ihnen durch ein Zeichen, zu gehorchen.
    Sie verschwanden bald, und die britischen Offiziere blieben an Ort und Stelle vor Oberst Saito stehen.
    Dieser sprach immer noch, und zwar mit einer affektierten Stimme, die nach Cliptons Meinung beunruhigend war.
    Er hatte sich nicht getäuscht. Einige Soldaten entfernten sich und kamen mit den beiden Maschinengewehren zurück, die am Lagereingang gestanden hatten. Sie brachten sie rechts und links von Saito in Stellung. Cliptons Befürchtungen verwandelten sich in eine schreckliche Angst. Er konnte den Vorgang durch die Bambuswand seines »Lazaretts« beobachten. Hinter ihm waren dicht aneinandergedrängt vierzig unglückliche, mit eiternden Wunden bedeckte Männer. Einige von ihnen hatten sich an seine Seite geschleppt und sahen ebenfalls zu. Einer von ihnen stieß einen dumpfen Schrei aus.
    »Doktor, sie werden doch nicht etwa…! Das ist doch nicht möglich! Dieser gelbe Affe wird doch nicht wagen…?
    Und unser Alter mit seinem Dickkopf!«
    Clipton war ziemlich sicher, daß der gelbe Affe im Begriff war, es zu wagen. Die Mehrzahl der hinter ihrem Obersten versammelten Offiziere teilte diese Überzeugung. Es war doch schon bei der Einnahme von Singapur zu mehreren Massenerschießungen gekommen. Offensichtlich hatte Saito die Truppe entfernen lassen, um keine lästigen Zeugen dabei zu haben. Er sprach jetzt englisch und befahl den Offizieren, das Arbeitsgerät aufzunehmen und sich zur Arbeitsstelle zu begeben.
    Erneut ließ sich die Stimme von Oberst Nicholson hören.
    Er erklärte, daß sie nicht gehorchen würden. Niemand rührte sich. Saito äußerte einen weiteren Befehl. In die Maschinengewehre wurden die Gurte eingeführt und die Läufe auf die Gruppe gerichtet.
    »Doktor«, stöhnte von neuem der Soldat neben Clipton. »Doktor, ich sage Ihnen, der Alte wird nicht nachgeben. Er begreift nicht. Man muß etwas tun!«
    Diese Worte weckten Clipton auf, der sich bis dahin wie gelähmt gefühlt hatte. Es war deutlich sichtbar, daß »der Alte« sich über die Situation nicht im klaren war. Er glaubte nicht, daß Saito bis zum Äußersten gehen würde. Es war dringend notwendig, irgend etwas zu tun, wie der Soldat sagte, man mußte ihm auseinandersetzen, daß er auf diese Weise aus Dickköpfigkeit und Prinzipienreiterei zwanzig Männer opfern konnte, daß weder seine Ehre noch seine Würde leiden würden, wenn er sich vor der rohen Gewalt beugte, wie es alle anderen in den andern Lagern getan hatten. Die Worte drängten sich ihm auf die Lippen. Er stürzte nach draußen und rief Saito an.
    »Warten Sie einen Augenblick, Oberst; ich werde es ihm
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