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Die Braut des Shawnee-Kriegers

Die Braut des Shawnee-Kriegers

Titel: Die Braut des Shawnee-Kriegers
Autoren: Elizabeth Lane
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Einer Welt, die er zu verachten gelernt hatte. Sie und ihresgleichen gehörten nicht hierher.
    Die Frau fuhr herum und hinkte hastig auf das Flussufer zu. Wolf Hearts blaue Augen verengten sich einen Moment lang zu Schlitzen. Als sie hinter einer Baumgruppe verschwand, trat er aus seinem Versteck und folgte ihr lautlos.
    Schatten tanzten über seinen langgliedrigen, muskulösen Körper, während er durch das Gestrüpp glitt. Weidenkätzchen wiegten sich im Wind, doch das Buschwerk war nicht allzu dicht. Ihr rotes Haar erinnerte ihn an ein Signalfeuer und machte es leicht, ihr zu folgen. Wolf Heart verlangsamte seinen Schritt, um sie nicht einzuholen. Er wollte ihr nicht gegenübertreten, zumindest nicht, bis er sich entschlossen hatte, was er mit ihr tun wollte.
    Derweil er nachdachte, berührten seine Finger den kleinen Medizinbeutel aus Rehleder, den er an einem Riemen um den Hals trug. Er enthielt Dinge seiner eigenen Wahl – Erinnerungsstücke, die für ihn von Bedeutung waren. Den Medizinbeutel hatte Black Wings, seine Shawnee-Mutter, für ihn gemacht. Sie hatte das Leder zugeschnitten und zusammengenäht, den Fransensaum angebracht und den Beutel mit Federn verziert, damit er besonders schön wurde. Erst kürzlich hatte Wolf Heart einen Zahn des ersten von ihm erlegten Bären hineingelegt, zusammen mit einer hellblauen Vogelfeder. Sein kostbarster Schatz jedoch war sein persönliches pa-waw-ka, eine durchsichtige Muschelschale, die er bei seinem Mannbarkeitsritual aus den eisigen Fluten des Flusses geborgen hatte.
    Der Medizinbeutel war das Zeichen seiner Zugehörigkeit, der Beweis für sich selbst und andere, dass er sich von Seth Johnson ein für alle Mal losgesagt hatte und bis ins Mark ein echter Shawnee geworden war. Er hatte sich allen Prüfungen und Ritualen unterzogen, Bär, Elch und Puma erlegt, tapfer gegen die marodierenden Irokesen gekämpft und einen ehrenvollen Platz unter den Kriegern des Stammes der kispoko erworben. Als Black Wings an Schwindsucht gestorben war, hatte er den Todesgesang für sie angestimmt. Während der ganzen Zeit hatte er niemals infrage gestellt, wer oder was er war … bis zu diesem Augenblick.
    Das kupferne Aufblitzen ihres Haares verriet ihm, dass das Mädchen noch immer in fliegender Eile am Ufer des Ohio-se-pe entlanglief. Es strebte flussaufwärts, vermutlich zum Fort oder zu einer dieser schmuddeligen kleinen Siedlungen, mit denen die Weißen sich immer weiter in das Shawnee-Gebiet hineindrängten.
    Seit dem Tod seines Vaters war Wolf Heart vielen weißen Männern begegnet. Da waren die Franzosen, die ihre Gewehre und Decken gegen Felle eintauschten. Und dann gab es noch die englischen Rotröcke, die man immer häufiger antraf, seitdem sie das Fort am Zusammenfluss von Monongahela und Allegheny erobert hatten. Weiße Männer, ja. Aber das Bild weißer Frauen – einschließlich seiner leiblichen Mutter, die gestorben war, als er sechs war – lebte nur schemenhaft in seiner Erinnerung. Nie hätte er sich vorstellen können, dass ein rothaariges elfengleiches Geschöpf wie dieses Mädchen existierte.
    Jeder andere Shawnee hätte sie inzwischen längst gefangen genommen. Das war ein bedrückender Gedanke. Sein Stamm hatte sich in diesem verrückten Krieg gegen die Engländer auf die Seite der Franzosen geschlagen, und dadurch wurde jeder englische Gefangene zu einer Kriegstrophäe. Wieso hatte er sie also nicht zu seiner Geisel gemacht? War es ihre bezaubernde Schönheit, die ihn davon abhielt? War es die Gewissheit, dass dieses Mädchen eine Gefangenschaft niemals überleben würde? Oder lag es etwa an seiner weißen Abstammung … scheinbar längst vergessenen Blutsbanden, die er trotz allem nicht verleugnen konnte? Was immer es auch sein mochte, seine Unentschlossenheit beunruhigte Wolf Heart zutiefst.
    Weit voraus sah er sie stolpern und in ein Schlammloch fallen. Mit angehaltenem Atem beobachtete er, wie sie sich wieder hochkämpfte und in seine Richtung zurückspähte. Ihr Gesicht schien bleich in der Morgensonne. Einen Moment fürchtete er, sie hätte ihn gesehen, doch dann drehte sie sich um und setzte ihre Flucht fort. Schmutz spritzte auf, als sie sich einen Weg durch die Büsche und Bäume am Ufer bahnte.
    Das Mädchen hatte Mut, das musste man ihm lassen. Halb erfroren, zerschunden, erschöpft und vermutlich am Verhungern, ließ sie sich trotzdem nicht hängen. Schneid und Courage, verbunden mit einer gesunden Portion Angst, trieben sie Schritt für Schritt
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