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Die Braut des Shawnee-Kriegers

Die Braut des Shawnee-Kriegers

Titel: Die Braut des Shawnee-Kriegers
Autoren: Elizabeth Lane
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dem Gesicht nach unten ins Gras sinken. Sie spürte den Boden kalt an ihrem schmerzenden Körper. Eisiges Wasser tropfte von den Bäumen. Eine Elster schimpfte so erbost von einem Zweig, dass Clarissa das Klappern ihrer Zähne kaum hören konnte.
    Lange Zeit blieb sie so liegen, unfähig, sich zu rühren. Ganz allmählich stieg die Sonne höher. Licht drang durch die Zweige der Birken und Kastanien und wärmte sie in ihren nassen Kleidern. Aus einem Holunderdickicht stieg das Lied einer Drossel trillernd in die Morgenluft.
    Clarissa hob den Kopf und öffnete mühsam die Augen. Dichte Schwaden stiegen von dem durchnässten Boden auf. Auch ihre Kleider begannen allmählich in der Sonne zu trocknen. Der Sturm hatte sich ausgetobt, und ein neuer Tag begann.
    Das geschäftige Murmeln des Ohio drang an ihre Ohren, als sie sich aufsetzte und mit der Hand in ihr Haar griff. Als sie feststellte, dass es hoffnungslos verfilzt war, warf sie die rotblonde Mähne zurück und schlang die Arme um die Knie. Gedankenverloren schaute sie hinaus auf den Fluss, der sie fast das Leben gekostet hätte. Sie erinnerte sich an den Sturm und die zwei Männer, die die Dunkelheit verschluckt hatte. Traurig dachte sie an Tom Ainsworth, dessen Gesicht sie nie wieder sehen würde.
    Clarissa ließ den Kopf sinken, und tiefe Verzweiflung überkam sie. Wie konnte eine einzige unbedachte Handlung zwei Menschenleben zerstören?
    Schließlich richtete sie sich wieder auf und drückte die Handflächen auf ihre brennenden Augen, um den Tränenstrom zu stoppen. Dies war nicht der rechte Augenblick, um sich der Mutlosigkeit hinzugeben. Sie hatte nicht die Absicht, in dieser Wildnis zu sterben. Schließlich hatte sie zwei gesunde Beine und war durchaus fähig, nach Fort Pitt zurückzugehen. Wenn sie nur den Weg kennen würde …
    Ihr Blick fiel auf den Fluss.
    Was war sie doch für eine Gans, hier herumzusitzen und in Selbstmitleid zu baden. Sie war noch längst nicht verloren. Das Flachboot war flussabwärts gefahren. Also brauchte sie dem Ufer nur flussaufwärts zu folgen.
    Clarissa biss die Zähne zusammen und rappelte sich auf. Jede Bewegung tat weh. Ihre Glieder waren steif, ihre nackten Füße wund und geschwollen. Ohne die Schmerzen zu beachten, zwang sie sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
    Die vor Schmutz starrenden Röcke klebten ihr an den Beinen. Der nasse Unterrock schleifte über den Boden und behinderte sie bei jeder Bewegung. Sie hatte kaum ein paar Meter zurückgelegt, als sie ausglitt und zu Boden stürzte. Der Aufprall presste die Luft aus ihren Lungen. Keuchend lag sie im Morast und kämpfte mit den Tränen.
    Ich gebe nicht auf, schwor Clarissa sich. Und wenn sie auf allen vieren nach Fort Pitt kriechen müsste, sie würde es tun. Sie würde überleben, um wieder lachen, tanzen und flirten zu können. Sie würde lieben, heiraten und ein Haus voller fröhlicher Kinder haben. Sie würde alt und weise werden, um eines Tages ihre Enkel auf den Knien zu wiegen und ihnen die Geschichte ihres großen Abenteuers in der Wildnis zu erzählen.
    Unter Aufbietung ihrer letzten Kraftreserven riss sie sich zusammen. Mit der rechten Hand tastete sie sich vor, um ihren Körper abzustützen – und erstarrte mitten in der Bewegung, als ihre Finger einen Umriss im Schlamm spürten.
    Sie schaute genauer hin und erkannte die Spur auf dem dunklen Boden. Die Kehle wurde ihr eng, als sie begriff, was es war – der lange, breite Abdruck eines ledernen Mokassins.

2. Kapitel
     
    Im Schutz eines Birkenhains beobachtete Wolf Heart die schlanke weiße junge Frau, die gerade mühsam auf die Füße kam. Die Panik in ihrem Gesicht konnte nur eines bedeuten: Sie hatte seine Fußspur entdeckt und wusste, dass jemand in der Nähe war.
    Er hielt den Atem an, als er sah, wie sie zögerte und wie ein gehetztes Tier erst in die eine und dann in die andere Richtung blickte. Ihr Haar wirkte in der Morgensonne wie eine flammende Wolke. Ihr Kleid – von so feinem Tuch, dass es nicht selbstgesponnen sein konnte – klebte schmutzbedeckt an ihrem gertenschlanken Körper. Sie wirkte so zerbrechlich wie ein Schmetterling.
    Wolf Heart hatte mitbekommen, dass sie, an ihre Planke geklammert, an Land gespült worden war. Er war mit dem Schatten der Bäume verschmolzen, als sie zitternd und erschöpft am Ufer zusammengebrochen war. Ein Wirbelsturm der Gefühle hatte in ihm getobt. Diese zarte junge Fremde gehörte zu einer Welt, die er vor langer Zeit hinter sich gelassen hatte.
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