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Die Braut des Shawnee-Kriegers

Die Braut des Shawnee-Kriegers

Titel: Die Braut des Shawnee-Kriegers
Autoren: Elizabeth Lane
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so dass ihre rotgoldenen Locken im Wind flogen. Für Clarissa war dieser Besuch bei Tante und Onkel in Pennsylvania wie eine frische Brise in ihrem Leben. Seit dem Tod ihres Vaters vor sieben Jahren stand sie unter der Obhut ihres mürrischen älteren Bruders. Junius Rogers hatte ihr einst fröhliches Heim in Baltimore in ein düsteres, bedrückendes Gefängnis verwandelt, aus dem er Musik, Lachen und Freiheit verbannt hatte.
    Hinter ihr erhoben sich die mächtigen Schutzwälle des Forts. Erst kürzlich hatte hier die Union Flag den Platz der französischen Trikolore eingenommen, und heute blähte sich die Flagge wie ein Segel im Wind. Das Wasser, das die flache Landzunge umspülte, war braun gefärbt vom Schlamm, den es im Frühling mit sich führte. An dieser Stelle flossen Monongahela und Allegheny zusammen und bildeten gemeinsam den Ohio. Flachboote, Pirogen und Kanus lagen dicht gedrängt am Ufer. Holzhäuser aller Art waren rund um die Außenmauer des Forts wie Pilze aus dem Boden geschossen. Diese wachsende Ansammlung von Schuppen, Handelsposten und Siedlerhütten hatte sich bereits einen Namen zugelegt: Pittsburgh.
    Lachend rannte Clarissa weiter. Mit einer Hand raffte sie ihren spitzenbesetzten Unterrock, um ihn vor Grasflecken zu bewahren. Sie wusste genau, weshalb Junius sie hergeschickt hatte. Sie war siebzehn, im heiratsfähigen Alter, und er wollte sie aus dem Weg haben, indem er sie mit irgendeinem jungen, aufstrebenden Offizier verheiratete. Es war ein durchaus viel versprechender Plan, denn Clarissa war weder verarmt noch unansehnlich, es gab genug Bewerber. Doch da war etwas, womit Junius nicht gerechnet hatte. Seine eigensinnige kleine Schwester hatte viel zu viel Spaß, um sich unter den Anbetern allzu schnell einen Ehemann auszusuchen.
    "Clarissa, komm jetzt endlich!" rief Tante Margaret ungeduldig. "Das Tor wird bald geschlossen, und Molly wartet schon mit dem Abendessen. Du kannst diesen albernen Drachen ja morgen wieder steigen lassen, wenn es unbedingt sein muss."
    Clarissa blieb stehen, woraufhin zwei ihrer Begleiter mitten im Lauf zusammenstießen. Lichter flackerten vereinzelt oberhalb der Wälle und unten in der Siedlung auf. Ein Blitz durchschnitt den Himmel im Osten, und als der Donner grollte, spürte sie die ersten Regentropfen.
    Hoch über ihr zerrte der Drache heftig an seiner Schnur und schoss wie ein weißer Vogel am immer dunkler werdenden Himmel auf und ab. Clarissa schaute ihm einen Augenblick zu und stieß einen Seufzer aus. "Na gut!" rief sie dann über die Schulter. "Ich komme, sobald ich die Schnur aufgewickelt habe."
    "Du kommst sofort, Clarissa!" Die Stimme der Tante verriet, dass ihre Geduld erschöpft war. "Einer der jungen Leute kann dein Spielzeug mitbringen."
    "Ach, aber i…ich … also gut." Da Clarissa nicht vorhatte, ihre Tante noch mehr in Harnisch zu bringen, drehte sie sich um und wollte gerade einem ihrer Gefährten die Schnurrolle reichen, als eine Sturmböe den Drachen erfasste, der daraufhin wie vom Blitz getroffen abwärts schoss. Mit einem Schreckensschrei sah Clarissa, wie er irgendwo außer Sichtweite zwischen den Hütten am Fluss niederging.
    "Ich hole ihn." Leutnant Thomas Ainsworth, der jüngste ihrer Bewunderer, rannte bereits los, wobei er der Schnur folgte, die deutlich im Gras sichtbar war. Es war auch Tom Ainsworth gewesen, der ihr den Drachen aus Birkenzweigen und leichtem Segeltuch gebaut hatte. Seine Kunstfertigkeit dabei hatte verraten, dass er es oft in seiner eigenen Jugend getan haben musste. Clarissa mochte ihn sehr. Wenn sie doch auch einen Bruder wie Tom gehabt hätte statt des sauertöpfischen, knauserigen Junius! Wie viel fröhlicher wäre ihr Leben dann verlaufen.
    "Seid vorsichtig, Tom!" rief sie ihm nach. "Ich warte hinterm Tor auf Euch, versprochen! Ich werde nicht zulassen, dass die Wachen vorher das Tor schließen."
    Sie wusste nicht, ob der junge Leutnant sie gehört hatte. Er rannte hinunter zum Fluss, ohne sich um die Blitze und das dumpfe Grollen des Donners zu kümmern. Clarissa guckte ihm nach, bis er im Regen verschwand. Dann raffte sie die Röcke und beeilte sich, ihre Tante einzuholen. Die beiden anderen Offiziere trotteten wie ergebene Hunde hinter ihr her.
    Clarissa hielt ihr Versprechen. Nachdem sie die anderen fortgeschickt hatte, postierte sie sich im Schutz des Tors unter den wachsamen Blicken der Soldaten, die auf dem Wall patrouillierten. Sie würde ja nicht lange warten müssen. Tom würde jeden Moment mit
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