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Die Braut des Shawnee-Kriegers

Die Braut des Shawnee-Kriegers

Titel: Die Braut des Shawnee-Kriegers
Autoren: Elizabeth Lane
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dem kostbaren Drachen auftauchen.
    Sie beschloss, ihn mit einem Kuss zu belohnen – einem flüchtigen, schwesterlichen Kuss, den niemand missverstehen konnte. Und dann würde sie ihn vielleicht zum Abendessen einladen. Das war das Mindeste, was sie tun konnte, um ihm ihre Dankbarkeit zu zeigen.
    Die Minuten krochen dahin, ohne dass er wieder auftauchte. Clarissa wurde unruhig und zunehmend hungrig. Durch den dunklen Regenschleier konnten ihre scharfen Augen gerade noch die weiße Drachenschnur erkennen, die Tom in seiner Hast im Gras liegen gelassen hatte. Die Schnur hatte sich bisher kein bisschen bewegt.
    Was tat er so lange? Hatte er einen Kameraden getroffen? Am Ende gar ein Mädchen? Oder war er etwa in einer dieser fragwürdigen kleinen Spelunken eingekehrt, die überall am Flussufer aus dem Boden geschossen waren? Er wusste doch, dass sie auf ihn wartete.
    Clarissa verlor die Geduld. Ohne auf den Warnruf der Wache zu achten, lief sie durchs Tor hinaus. Es konnte nicht schaden, Tom Ainsworth aufzuspüren und ihm den Kopf zurechtzurücken. Nass war sie ohnehin schon, und in Steinwurfnähe des Forts würden wohl kaum Gefahren lauern.
    Es war nicht schwer, der weißen Drachenschnur zu folgen, denn sie leuchtete hell im nassen Gras. Mit gerafften Röcken eilte Clarissa voran. Es war zwar nicht sicher, dass die Schnur sie zu Tom Ainsworth, diesem unzuverlässigen Lümmel, führte, aber zumindest würde sie ihr Spielzeug wieder finden.
    Tagsüber sahen die Schuppen am Flussufer nur schäbig aus, doch nun, bei Dunkelheit und Regen, wirkte jeder Schatten wie ein lauerndes Tier. Licht fiel durch die Spalten in den Holzwänden. Irgendwo hustete ein Mann und fluchte gotteslästerlich. Eine Frau lachte.
    Mittlerweile war die Drachenschnur so schmutzig geworden, dass Clarissa Mühe hatte, sie im Auge zu behalten, während sie weiterhastete. Inzwischen war sie triefnass und zitterte vor Kälte. Ihre Schuhe waren ruiniert, und ihre Tante würde furchtbar böse auf sie sein. Oh, warte nur, Thomas Ainsworth. Wenn ich dich in die Finger kriege …
    Als ihr Fuß gegen etwas Weiches stieß, entschlüpfte Clarissa ein erschrockener Laut. Bewegungslos, mit dem Gesicht nach unten, lag ein Mann vor ihr im Schlamm.
    Es war Tom Ainsworth.
    "Oh Gott!" Clarissa kauerte sich nieder. Ihr Zorn schwand, als sie die blutende Wunde an seiner Schläfe entdeckte. Sie packte ihn bei den Schultern und versuchte ihn hochzuziehen. "Seid nicht tot, Tom!" flehte sie und schüttelte ihn. "Oh bitte, seid nicht tot!"
    Er stöhnte, und namenlose Erleichterung wallte in Clarissa auf. "Kommt!" Sie versuchte ihn aufzurichten. "Wir müssen zurück zum Fort."
    Er wandte den Kopf, und sie nahm das warnende Aufblitzen in seinen Augen wahr. "Lauft weg, Clarissa", flüsterte er heiser. "Lasst mich, und bringt Euch in Sicherheit."
    "Seid nicht töricht!" Sie packte seine Schultern fester. "Ohne Euch gehe ich nirgendwohin, Tom Ainsworth. Das steht fest. Deshalb könnt Ihr ebenso gut – oh!"
    Grobe Hände griffen von hinten nach Clarissa und rissen sie hoch. Ihr Schrei erstarb in einem erstickten Keuchen, als eine schmierige Hand sich auf ihren Mund legte. Sie spürte Fleisch und biss zu.
    "Verfluchte Hexe!" Der Schlag explodierte in ihrem Kopf, und der Schmerz ließ glühende Ringe vor ihren Augen tanzen. Sie sackte gegen ihren unsichtbaren Angreifer, ein wenig benommen, aber doch bei Bewusstsein. Als ihr Blick sich klärte, sah sie Tom auf den Knien, der mühsam versuchte, sich aufzurichten. Ein zweiter Mann in schmutzstarrenden Lederhosen trat aus dem Schatten. Mit dem rechten, in einem Mokassin steckenden Fuß trat er Tom brutal gegen den Kopf. Der junge Mann brach im Schlamm zusammen und blieb reglos liegen.
    "Lasst mich zu ihm!" Clarissa wand sich in den Armen, die sie wie ein Schraubstock umklammerten. Der Gestank, den die Kleider und der ungewaschene Körper des Mannes verbreiteten, brachte sie zum Würgen.
    "He, Zeke, ganz schön kratzbürstig, die Kleine, was? Und niedlich dazu." Der Mann in Lederhosen tastete nach dem Messer in seinem Gürtel, während er Clarissa von Kopf bis Fuß musterte.
    "Dann springt wenigstens etwas dabei raus", knurrte der Mann namens Zeke. "Ihr Freund hier hatte ja nichts in den Taschen, was der Rede wert wäre. So kriegen wir wenigstens 'n bisschen Spaß. Woll'n wir würfeln, wer sie sich zuerst vornimmt?"
    Clarissa spürte seinen übel riechenden Atem an ihrer bloßen Schulter. Sie schluckte ihre Angst hinunter und blitzte den
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