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Die Braut des Satyrs

Die Braut des Satyrs

Titel: Die Braut des Satyrs
Autoren: Elizabeth Amber
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bereit!«
    Fleur grinste, machte einen schnellen Knicks und lief weiter. Juliette sah ihrer hüpfenden Haube nach, bis sie sich im Gedränge des Pont Neuf verlor.
    Gewöhnlich mied sie es, sich mit den Mädchen anzufreunden, denn ihre Erfahrung lehrte sie, dass es sie bloß umso trauriger machte, wenn sie fortgingen oder entlassen wurden. Aber Fleur war so lebhaft und aufrichtig, dass es schwerfiel, sie nicht liebzugewinnen. Folglich fürchtete Juliette, dass sie bereits im Begriff waren, sehr gute Freundinnen zu werden.
    Sie schaute sich um und fand rasch das Stadthaus in einer geschlossenen Reihe entlang des Rive Gauche, des linken Flussufers jenseits der Brücke. Es war ein weniger angesehenes Viertel, aber Monsieur Valmont und seine Tätigkeit wären in begehrenswerteren Gegenden diesseits kaum wohlgelitten gewesen. Obgleich das Haus recht angenehm aussah – grauer Putz, eine rote Haustür und schmiedeeiserne Balkone –, wurde Juliette beinahe übel, weil sie dorthin zurückkehren musste.
    Ein Jongleur, der sich zur Brücke aufmachte und zum Gruß an seine Kappe tippte, trug eine Ansammlung bunter Bälle, Kegel und Ringe an ihr vorbei – allerdings nicht ohne ihr einen längeren Seitenblick zuzuwerfen. Sie war an derlei Blicke von Männern gewöhnt, weshalb sie auch diesen ignorierte. Eine Gruppe vornehm gewandeter Damen raffte die Röcke, als sie an ihr vorbeigingen, und tuschelte vernehmlich, was sie gleichfalls nicht beachtete. In dem Jahr, seit sie mit Monsieur Valmont nach Paris zurückgekehrt war, hatten sie und die anderen Mädchen sich einen gewissen Ruf erworben, der sie für manche äußerst reizvoll, für andere höchst verachtenswert und verdächtig machte.
    Sie sah die rote Haustür am Quai de Conti aufgehen und sich wieder schließen, was ihr signalisierte, dass Fleur sicher angekommen war. Es hätte ein Leichtes für sie sein sollen, die Brücke ebenfalls zu überqueren.
    Hätte es – war es aber nicht. Sie wusste, dass die Brücke knapp dreißig Meter lang war und von zwölf Pfeilern getragen wurde, doch die Überquerung kam ihr so gefährlich vor, als müsste sie die Distanz auf einem Hochseil zurücklegen.
    »Beweg dich! Du musst gehen!«, schalt sie sich flüsternd. Sie blieb viel zu lange hier.
    Entschlossen fixierte sie die Reiterstatue von König Henri in der Brückenmitte. Sie zu erreichen hieße, halb zu Hause zu sein.
    Sie befühlte den Korbhenkel, ob er auch ja sicher in ihrer Ellbogenbeuge hing, machte den Rücken gerade und tat einen zögerlichen Schritt nach vorn. Dann noch einen. Und sie stand auf der Brücke.
    »Un, deux, trois … quinze, seize …«
Leise vor sich hin zählend, besiegte sie ihre irrationalen Ängste, indem sie nebenher das Menü für heute Abend durchging.
    … Sollte sie wieder Feigen in den Kuchen geben? Valmont hatte sie in dieser Zubereitung nicht gemocht, Fleur und Gina hingegen schon. Ja, sie würde ihn wieder mit Feigen zubereiten … und sie musste Madame Gris erinnern, die Erbsensauce abkühlen zu lassen, ehe sie die Trüffeln dazugab, die zuvor auf Schimmelstellen geprüft werden mussten, genau wie der Käse …
    Mit größter Konzentration hielt sie den Blick auf Henri gebannt, sah weder nach links noch nach rechts, denn zu beiden Seiten wirbelten die Strudel der Seine. Sie war allgemein nicht sonderlich naturzugewandt, und Wasser konnte sie überhaupt nicht leiden. Mit ihm verband sie eine Angst, die vor drei Jahren – sie hatte damals gerade sechzehn Lenze gezählt – unvermittelt über sie kam und seither beständig größer wurde.
    Zu ihrem Unglück war Pont Neuf eine Anomalie in Europa, weil diese Brücke ohne beidseitige Gebäudereihen erbaut worden war. Sie stellte die einzige Brücke in ganz Paris dar, auf der es nichts gab außer einem Sammelsurium von fliegenden Händlern, das die Sicht auf den Fluss versperrte. Sie alle hielten sich nur vorübergehend hier auf, verkauften tageweise ihre Waren, die von Schals bis Tabak rangierten.
    Ein
Fleurist
zog einen bunten Blumenwagen hinter sich her, ein
Chef de pâtisserie
und ein
Coiffeur pour chiens –
ein Hundefriseur, der tagsüber seinen Nischenladen auf der Brücke betrieb – flohen nun, da die Nacht hereinbrach. Die Straßenkünstler hielten Einzug, die Jongleure, Akrobaten, Feuerfresser und Zauberkünstler brachten sich in Stellung, und die abendliche Kälte wurde vom Aroma frisch gerösteter Maronen erfüllt.
    Es schien eine Art Fest in Vorbereitung, was Juliettes Weg nach
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