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Die Braut des Satyrs

Die Braut des Satyrs

Titel: Die Braut des Satyrs
Autoren: Elizabeth Amber
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Hause umso riskanter machte. Auf dem Pont Neuf tummelten sich heute Abend die Leute, wie sie erschrocken feststellte. Warum, wusste sie nicht.
    Eine lebhafte »Farandole« hatte begonnen, bei der sich die Tänzer in Reihen formierten – einige, indem sie sich bei den Händen fassten, andere, indem sie Taschentücher zwischen sich hielten. Sie umschritten einander schlängelnd durch die Menge, bis die Schlangen immer länger wurden, weil mehr und mehr Leute sich den Tanzenden zugesellten. Juliette zog die dunkelrote Kapuze enger um sich und umschritt die Tanzenden weitläufig.
    »Hier stimmt etwas nicht«, murmelte sie vor sich hin. Gedankenverloren hängte sie sich den Korb an den anderen Arm, wobei die verborgene Papierrolle darin sie tröstete.
    Mit der nun freien Hand tauchte sie in ihre Rocktasche, wo sie die Haferflocken und den Brotkanten ertastete. Beides sollte böse Magie abwenden. Jedenfalls hatte ihre Ziehmutter das behauptet. Die abergläubische Madame Fouche hatte Juliette viele solche Zauber gelehrt, weshalb Juliette bis heute nie das Haus ohne irgendeinen Talisman verließ.
    Plötzlich schob sich ein Maronenwagen zwischen sie und ihr Ziel, so dass sie gezwungen war, ihm auszuweichen, und prompt mit einer Dame zusammenstieß, die einen Pudel im Arm trug.
    »Excusez-moi, madame!«
, rief Juliette nur über ihre Schulter nach hinten, ohne stehen zu bleiben. Sie musste weiter, sich konzentrieren. Sobald ihre Gedanken abschweiften, könnte sie in Schwierigkeiten geraten. Ohne auf die allgemeine Ausgelassenheit um sich herum zu achten, starrte sie weiter auf die Statue.
    »Fast da, fast da«, spornte sie sich selbst an. Ihr Atem wurde flacher, schneller, und beides sah man im herbstlichen Zwielicht.
    Jemand schubste sie, stieß sie seitlich weg gegen die westliche Balustrade. Gleich folgten mehr Schubser, festere, die sie auf die Knie zwangen. Ihr Korb fiel zu Boden, und die Hälfte des Inhalts purzelte heraus. Blitzschnell griffen Hände danach, pickten willkürlich auf, was sie zu packen bekamen, ehe es von den anderen zertrampelt würde.
    Der vertraute stechende Geruch von Traubenmost mischte sich mit etwas Überirdischem, das zu ihr drang – wie sie befürchtet hatte. Ein rascher Blick nach hinten bestätigte ihr, dass ihre schlimmsten Ängste wahr wurden. Wenig entfernt erspähte sie zwei Kobolde mit spitzen Ohren und einem zu breiten Grinsen, als dass es menschlich hätte sein können. Zudem glänzte ihre Haut in einem unschönen fleckigen Lila mit Brauneinmischungen.
    Das waren sie also: die »begabten Kinder«. So lautete der Spitzname, den sie diesen Kreaturen als kleines Mädchen gegeben hatte. Aber seit drei Jahren hatte sie keine von ihnen mehr gesehen. Sie hatte schon angefangen, zu glauben – zu hoffen –, dass sie lediglich ihrer jugendlichen Phantasie entsprungen waren. So viel zu den Talismanen in ihrer Tasche. Sie schützten sie vor gar nichts!
    Begeistert von sich selbst, warfen die Rabauken sich die Sachen, die sie erplündert hatten, gegenseitig zu und hielten alles für ein lustiges Spiel. Eines ihrer neuen Spielzeuge war lang und schmal: eine Rolle, die mit einem Band zusammengebunden war. Das Papier, das sie gegen Bezahlung stehlen ließ, war nun ihr geklaut worden.
    »Arrêtez!«
Sie raffte ihre Röcke und wollte nach der Papierrolle greifen. Ein paar Passanten drehten sich zu ihr um, doch niemand hielt es für nötig, ihr zu helfen. Was sie auch nicht erwartete, denn keiner außer ihr konnte die Kobolde sehen.
    Grinsend machten die beiden sich mit ihrem Diebesgut davon. Sie ahnten ja nicht, was sie getan hatten. Juliette sammelte eilig alle Lebensmittel wieder in ihren Korb, sprang auf und setzte den Dieben nach. Ihr unnatürliches Licht flackerte ihnen voraus, wo immer sie kurz aus der Menge auftauchten. Aber jedes Mal, wenn Juliette sie aus den Augen verlor, fürchtete sie, dass sie die beiden nicht mehr einholen würde.
    »Wartet! Lasst uns tauschen! Ich gebe euch etwas aus meinem Korb!«, versprach sie ihnen und betete, dass sie sie hörten. »Birnen!«
    Non! Essen interessierte sie nicht. Womit hatte sie die Kobolde früher bestochen? Denk nach! Denk nach! Ah, ja! Glitzerndes. Nadeln. Polierte Achate.
    Natürlich hatte sie nichts dergleichen bei sich, und die kleinen Spitzohren liefen beständig schneller. »Kommt zurück!«
    Die Kakophonie der Tänzer, Musikanten und Nachtbummler entlang der Brücke wurde lauter und übertönte sie, während Juliette in dem
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