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Die Brandungswelle

Die Brandungswelle

Titel: Die Brandungswelle
Autoren: Claudie Gallay
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Strömung?
    Sicher trug er in sich das helle Licht des Leuchtturms.
    Die beiden Brüder gingen zusammen den Weg entlang, der in den Wald führte. Ich folgte ihnen mit den Augen, zwei Gestalten, dunkel die eine, die andere hell. Sie liefen Seite an Seite und sprachen miteinander.
     
    Ich kehrte zu dem großen Tor zurück. Ich wartete ein paar Minuten, dann öffnete es sich wieder. Théo tauchte auf. Hinter ihm der dichte Schatten eines Portals. Das war alles, was ich vom Innern des Klosters sehen konnte.
    Das Tor schloss sich mit einem dumpfen Knall. Sohlen knirschten auf dem Kies.
    Théo trug dieselben Sachen wie am Tag seiner Abreise, dieselbe Strickjacke und seine Cordhose, deren Stoff von den Krallen seiner Katzen abgewetzt war.
    Wir gingen unter den Bäumen entlang. Kleine Lichtflecken tanzten vor unseren Füßen. Wasser rauschte, eine Quelle oder das Wasser des letzten Regens. Ein paar Pfützen.
    Théo ging langsam, eine Hand um den Stock geschlossen. Ich erzählte ihm von seinen Katzen. Und dann von La Hague, von der Kälte, die sich ausbreitete. Ich erzählte ihm von seinem Haus und wieder von seinen Katzen.
    Ich sagte ihm nicht, dass das weiße Kätzchen verschwunden war.

    Wir gingen bis zum Holzlager. Man hatte lange Baumstämme dorthin geschleppt, die darauf warteten, zersägt und zugeschnitten zu werden, sie waren alle mit zwei weißen Strichen markiert. Im Schlamm gab es tiefe Spuren.
    Seit fast drei Monaten war Théo nun hier. Es schien ihm gut zu gehen. Er half bei der Küchenarbeit. Er schälte Gemüse, kochte es. Immer in Wasser. Etwas Salz. Fader Geschmack, einfallslos.
    Er sagte mir, dass er sich manchmal nach Lilis Essen sehne. Er lächelte, ich hätte nicht sagen können, ob es ein trauriges Lächeln war, denn er hatte den Kopf den Bergen zugewandt, dorthin, wo die beiden Brüder verschwunden waren.
    Er schwieg lange, sein Blick verschleiert.
    »Michel ist der einsamste Mensch in diesen Mauern, aber wenn er einmal rauskommt, ist er der geschwätzigste.«
    Théo lief leicht gebeugt, mit schwerem Nacken. Seine Beine trugen ihn nicht mehr sehr gut.
    Wir setzten uns auf eine Bank in die Sonne. Nebeneinander.
    »Fehlt Ihnen das Meer nicht?«
    »Jetzt nicht mehr … Aber ich denke oft daran.«
    »Langweilen Sie sich nicht?«
    »Langweilen? … Es gibt so viel zu tun hier … Allein den Himmel anzusehen wird man niemals müde. Außerdem habe ich einen Freund, einen sehr alten blinden Mönch. Er lebt hinter einem von diesen Fenstern da. Wir plaudern stundenlang.«
    »Ich dachte, die Mönche dürften nicht sprechen?«
    Er lächelte.
    »Natürlich dürfen sie nicht, aber wir machen es trotzdem. Wer kann uns schon hören?«
    »Gott?«
    »Gott … Wie könnte er uns noch mehr bestrafen, wo er uns schon so alt hat werden lassen …«

    »Er kann Sie in die Hölle schicken!«
    »Soll er mich schicken …«
    Er sagte es belustigt.
    Er sprach wieder von Michel und von der tiefen Stille, die innerhalb der Klostermauern herrschte.
    »Michel liest viel, er schreibt auch. Er bekommt Post, wissen Sie … Er ist sehr erstaunt darüber, wie die Menschen leben. Er sagt, eines Tag wird wegen all der modernen Erfindungen die Welt explodieren, und der Mensch wird zum Feuerstein zurückkehren.«
    Théo hob den Kopf. Er schaute lange auf die Berge, ein Teil davon lag im Schatten und war fast schwarz, während der andere Hang, die Südseite, noch vom Licht erdrückt wurde.
    »Er näht die Leichentücher, in denen die Mönche begraben werden. So wie Florelle es gemacht hat.«
    Er sprach den Namen aus, Florelle, die zarte Erinnerung, seine Augen wurden feucht.
    Tränen, die ihn zurück nach La Hague brachten, zurück zur Brandung.
    Ich ließ Zeit verstreichen. War Michel böse auf Théo? Hatten sie darüber gesprochen?
    Als ich Théo diese Frage stellte, schüttelte er den Kopf.
    »Michel kennt keine Vorwürfe. Er blickt nicht zurück. Das ist nicht seine Art.«
    Er sprach noch lange von seinem neuen Leben innerhalb dieser Mauern, denen des Klosters und auch denen der Berge.
    Von diesen Mauern, die sie hier die Einfriedung nannten.
    »Wissen Sie, dass sehr strenge Gesetze das Leben dieser Berge bestimmen?«
    Er erzählte mir von den Tieren, die hier im Schutz der Bäume lebten, unzählige Tiere, Rehe, Luchse, ein paar Wölfe.
    Er erzählte mir von den Männern, einsame Seelen auf der
Suche nach dem Absoluten, die der Stille der Berge ihre eigene Stille darboten.
    Théo sagte mir, dass ihm die Sonnenuntergänge fehlten,
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