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Die Brandungswelle

Die Brandungswelle

Titel: Die Brandungswelle
Autoren: Claudie Gallay
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Zeit, die uns entgangen war, ihm und mir.
    Théo strich mit der Hand über die glatte Tischkante, diese Stelle am Holz, die vom Reiben der Ärmel so abgenutzt war, dass sie aussah wie lackiert. Hier und da ein paar Spuren seines Messers.
    Théo wandte sich ab. Er stellte seine Pantoffeln nebeneinander an die Eingangstür. Dann zog er die Uhr auf.
    »Ab und zu, wenn Sie daran denken … Man muss nur ein paar Mal drehen.«
    Er rückte die Uhr wieder an ihren Platz.
    »Wissen Sie, ich glaube, ich werde dort glücklich sein, wenn ich weiß, dass diese Uhr weiter die Zeit anzeigt. Außerdem sind meine Katzen an das Ticken gewöhnt, das ist ein bisschen wie ein Herzschlag, finden Sie nicht?«
    Sein Blick glitt über die Möbel, die Spüle, die Papiere auf dem Schreibtisch. Das Messer, das Brot. Er hatte nichts aufgeräumt.
    Er sagte, dass es für die Katzen besser sei …
    »Michel sagt, im Winter ist das Kloster von Schnee umgeben und man kann die Wölfe vorbeiziehen sehen.«
    Er zog seine dicke Jacke an.
    »Glauben Sie an Gott?«, fragte ich.

    »An Gott, ich weiß nicht, aber ich glaube an die Güte mancher Menschen …«
    Ich sah ihn an.
    Hatte er Lili gesagt, dass er ging? Es lag kein Zettel für sie auf dem Tisch. Kein Brief.
    Nichts für die Mutter.
    »Ich werde mich wohlfühlen, dort, wo ich hingehe.«
    »Aber Sie werden das Meer nicht mehr sehen.«
    »Weder das Meer noch den Leuchtturm.«
    Er wandte sich von mir ab, um aus dem Fenster zu sehen, nach draußen, und dann noch einmal in das Zimmer, in dem er gelebt hatte.
    »Lili wird mir ihr Leben lang böse sein, weil ich eine Frau geliebt habe, die nicht ihre Mutter war … Und einen Sohn, der nicht meiner war.«
    Er gab mir einen Zettel mit der Adresse des Klosters.
    Er sah wieder zum Fenster.
    »Ich wär gern so gegangen, wie er es getan hat, zu Fuß, den Weg entlang, alle Zeit haben, um mich zu erinnern, aber meine Beine tragen mich nicht mehr. Ich musste ein schnelleres und bequemeres Mittel wählen.«
    Ich drehte mich um. Vor dem Tor stand ein Taxi. Der Chauffeur lehnte an der Autotür und wartete.
    »Er wird mich bis dorthin bringen.«
    »Wenn ich nicht gekommen wäre, wären Sie losgefahren, und ich hätte die Tür verschlossen vorgefunden?«
    Théo legte seine Hand auf meinen Arm, sehr sanft.
    »Ich wäre nicht losgefahren. Ich hätte auf Sie gewartet.«
    Er ging zur Tür.
    »Die Spazierwege sollen dort sehr schön sein, vor allem zu dieser Jahreszeit.«
    Er warf einen letzten Blick auf seine Katzen.

    »Vielleicht gibt es dort welche, wo ich hingehe … Es gibt immer Katzen in Klöstern, oder?«
    Er nahm meinen Arm, wie eben schon einmal.
    »Seien Sie nicht traurig …«
    Es war kein Kummer in seiner Stimme, kein Bedauern, sondern die ruhige Gewissheit eines Mannes, der sich entschieden hatte zu gehen.
    Er nahm seinen Koffer. Das weiße Kätzchen schlief. Théo sah es ein letztes Mal an.
    »Sie müssen gut auf das Kleine aufpassen. Ich habe es sehr lieb, die anderen Katzen wissen das, sie werden sich rächen wollen, sicher lassen sie es nicht an die Futternäpfe.«
    »Ich verspreche es …«
    Er drehte sich um.
    »Am Abend bin ich im Kloster.«
    Er machte die Tür auf und ging hinaus.
     
    Ich blieb einen Moment sitzen, erst am Tisch, dann draußen auf den Stufen, weil die Sonne herausgekommen war und wärmte.
    Mittags aß ich einen Apfel, den ich in einer Kiste gefunden hatte.
    Ich kochte Kaffee.
    Ich sprach mit den Katzen.
     
    Abends brachte Max seinen ersten Heringshai heim. Ein Fisch von achtzig Kilo, den er auf dem offenen Meer an die Angel bekommen und hinter seinem Boot hergezogen hatte. Ich sah ihn von weitem angefahren kommen, mit den Möwen über dem Boot, die das Blut rochen.
    Er nahm seinen Heringshai im Hafenwasser aus. Mit dem Messer und mit der Hand.
    Seine Möwe war da, sie saß auf der Kabine. Sie entfernte sich
nie vom Boot. Max hatte Angst um sie. Dass die anderen Möwen sie töten würden, weil sie sich von einem Menschen füttern ließ.
    Er riss dem Heringshai die Zähne aus und gab mir einen. Ein paar Millimeter helles Elfenbein, das noch in einem Stück Knochen steckte.

L ambert war hinter seinem Haus. Er hatte ein großes Feuer gemacht, in das er Äste und Gestrüpp warf, alles, was er ausgerissen hatte und verbrennen wollte. Mit einer Forke schob er die Äste in die Mitte des Feuers. Funken stiegen aus der Glut auf, flogen leicht durch die Dunkelheit davon.
    Hier und da sah es aus, als brenne der Schatten der Wiese.
    Ich
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