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Die Blueten der Freiheit

Die Blueten der Freiheit

Titel: Die Blueten der Freiheit
Autoren: Iris Anthony
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schmuggelte? »Gebt mir … einfach mehr Zeit! Ich werde Spitze finden. Ich verspreche es.«
    Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich mit den Ellbogen auf den Tisch. Dann runzelte er die Stirn. »Ich habe dir nun sechs Monate lang mehr Zeit gegeben.«
    »Bitte.«
    Er sah mich finster an. »In Ordnung. Einen Monat noch. Der Krieg macht es uns schon schwer genug. Aber ich warne dich: Wenn du keine findest …«, er schwenkte den Einsatzbefehl über seinem Kopf, während er mir mit der anderen Hand bedeutete abzutreten, » … dann hast du hier nichts mehr verloren.«

Kapitel 4
    Der Hund
    Im ländlichen Flandern
    I ch habe zwei Namen.
    Einer meiner Herren, der böse Herr, nennt mich Chiant. Aber ich weigere mich, zu ihm zu kommen, wenn ich diesen Namen höre. Vermutlich hält er mich deshalb in der Kiste ohne Löcher gefangen.
    Der andere Herr, der gute Herr, nennt mich Moncherargent  … oder einfach bloß Moncher  … und diesen Namen mag ich am liebsten. Wenn er mich Moncher ruft, dann ist es nicht mehr als ein Flüstern. Er seufzt meinen Namen, so dass er sich in meinen Ohren anfühlt wie seine Hand, die über mein Fell streicht. Moncher, Moncher, Moncher. Er sagt meinen Namen, während ich vor dem Feuer auf seinem Schoß liege.
    Er befreit mich von der Last der Spitze, und dann gibt er mir zu essen, so viel ich will, und auch noch ein bisschen mehr. Und er gibt mir Milch zu trinken. Er nennt es Sahne. Und diese Sahne ist das, was ich am meisten vermisse. Vor allem jetzt, da ich wieder in der Kiste warten muss. Vor allem jetzt, da ich wieder zu Chiant geworden bin.
    Ich wünschte, ich wüsste, wie ich es vermeiden kann, immer wieder von meinem guten Herrn fortgeschickt zu werden.
    Das letzte Mal war ich so vorsichtig gewesen.
    Ich hatte nicht gejault. Ich jaule nie. Nicht, wenn ich bei meinem guten Herrn bin. Nicht, nachdem ich zum ersten Mal wieder auf seinem Schoß schlafen durfte. Und niemals, nachdem ich zum ersten Mal wieder von der Sahne kosten durfte.
    Nein, ich hatte nicht gejault.
    Und ich hatte ihn auch nicht gebissen. Ich beiße ihn nie. Ich könnte niemals die Hand beißen, die meine Wunden versorgt. Die mich füttert und mein Fell streichelt.
    Nein. Ich hatte ihn nicht gebissen.
    Aber hatte ich gewinselt?
    Vielleicht.
    Ich rappelte mich auf und versuchte, ein Loch zu erschnüffeln. Ein großes Loch. Ein Loch, das größer war als die Ritzen, durch die die Ameisen in die Kiste kamen. Wenn ich bloß ein Loch finden würde, dann könnte ich es vergrößern. Und dann könnte ich von dem Regen kosten, von dem mir meine Ohren verrieten, dass er gerade auf die Kiste fiel. Und wenn ich Glück hatte, fand ich vielleicht einen Weg in die Freiheit. Und dann konnte ich zu meinem guten Herrn zurücklaufen. Und vielleicht durfte ich dieses Mal bei ihm bleiben.
    Doch es hatte keinen Sinn. Ich konnte nichts sehen, und sicher wäre Licht in die Kiste gedrungen, wenn es denn ein Loch gegeben hätte. Außerdem versagte mir meine Nase nie ihre Dienste. Und ich konnte auch keinen frischen Lufthauch riechen. Keinen Wald und keinen Wind. Das Einzige, was ich riechen konnte, war mein eigener Unrat.
    Ich drückte meinen Rücken in die Ecke und rollte mich zu einer Kugel zusammen.
    Nein, es gab keinen Ausweg.
    Ich winselte.
    Ich konnte nicht anders. Die Erinnerungen an das Feuer und die Nickerchen und die Sahne waren noch zu frisch. Ich konnte die Wärme noch spüren. Und die Milch schmecken.
    Ich winselte noch einmal.
    Ja, vielleicht hatte ich auch gewinselt, als ich noch bei meinem guten Herrn gewesen war. Aber konnte er mir solche Dinge denn nicht verzeihen? Wie hätte ich ihm denn sonst mitteilen sollen, was mit mir geschehen war? Wie hätte ich ihn sonst dazu bringen können, das alles zu verstehen? Mich nicht wieder fortzuschicken?
    Denn wenn er die ganze Wahrheit gewusst hätte, dann hätte er mich sicher nicht wieder in die Hände des bösen Herrn zurückgegeben.
    Wenn er es bloß gewusst hätte.
    Wenn die Menschen bloß sprechen könnten.

    Ich wachte auf.
    Wie lange hatte ich geschlafen?
    Ich hob ein Ohr vom Boden. Ich lauschte.
    Es hatte aufgehört zu regnen.
    Ich ließ mein Ohr wieder sinken. Ich mochte den Regen nicht. Wenn es regnete, konnte ich die Vögel nicht singen hören, und die Eichhörnchen gingen nicht wie sonst ihren Geschäften nach. Eines Tages … vielleicht konnte ich eines Tages auf meiner Flucht durch den Wald bloß ein einziges Mal innehalten, um zu sehen, was diese
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