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Die Blueten der Freiheit

Die Blueten der Freiheit

Titel: Die Blueten der Freiheit
Autoren: Iris Anthony
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Eichhörnchen eigentlich trieben. Und warum die Vögel sangen.
    Aber jetzt … jetzt musste ich nachdenken.
    Ich brauchte einen Plan.
    Wenn ich mich doch nur daran erinnern könnte, warum.
    Jemand winselte.
    Jemand, der so klang wie ich selbst.
    Ich hob mein Ohr wieder in die Höhe.
    Nichts.
    Mein Magen knurrte.
    Vielleicht war ich derjenige gewesen, der gewinselt hatte.
    Ich war so hungrig. Aber der einzige Weg, mit dem Hunger fertig zu werden, war, nicht ans Essen zu denken. Ich würde nicht an das Fleisch denken, mit dem mich der gute Herr gefüttert hatte. Daran, dass es immer warm gewesen war, und daran, wie der Saft von meinem Kinn getropft war. Und ich würde ganz sicher nicht an die Sahne denken. Ich würde nicht an die Sahne denken, die so dick gewesen war, dass man sie beinahe hatte kauen können. Die Sahne, deren Fett sich so wunderbar auf meinen Rachen gelegt hatte, während ich getrunken hatte. Nein, ich durfte nicht an die Sahne denken.
    Ich leckte mir über die Nase und hoffte, dort noch einen oder zwei Tropfen zu erwischen.
    Nichts.
    Meine Nase war trocken. So trocken wie mein Mund. Oder sogar noch schlimmer.
    Ich schloss meine Augen. Ich wusste nicht, warum ich mir überhaupt die Mühe gemacht hatte, sie zu öffnen. Ich konnte ja doch nichts sehen, egal, ob sie nun geöffnet oder geschlossen waren. Alles, was ich tun konnte, war warten. Und ich würde dabei nicht ans Essen denken. Oder daran, dass ich durstig war. Ich würde nicht an meinen Bauch denken und daran, wie er mich von innen heraus auffraß. Und auch nicht an die Fliegen, die begonnen hatten, mich von außen aufzufressen.
    Ich rollte mich zur Seite. Der Hunger in mir drehte sich mit. Große Hitze oder Kälte hätte ich leichter ertragen als diesen Hunger. Dem Hunger konnte man nicht entfliehen.

    Ich wachte auf.
    Die Angst hatte mich geweckt.
    Hätte ich bloß etwas sehen können.
    Ich hob ein Ohr in die Höhe.
    Stille.
    Möglicherweise etwas Wind. Und dann … ein Geräusch. Ich legte mein Ohr auf den Boden der Kiste. Über den Wind hinweg hörte ich Schritte.
    Ich rollte mich zusammen. So würde es leichter sein. Und ich stellte sicher, dass meine Nase unter meinen Pfoten steckte.
    »Chiant, du verdammter Köter! Espèce de crétin! Ich bin schon auf dem Weg. Ich komme, um dich zu holen …«
    Meine Kiste bewegte sich unter mir. Ich spreizte die Beine auseinander, um nicht gegen die Wände geschleudert zu werden. Ich begann zu knurren, doch dann hielt ich mich zurück. Wenn ich keinen Laut von mir gab und mich nicht bewegte, dann glaubte er vielleicht, dass ich geflohen war.
    Die Kiste wurde emporgehoben und auf die Seite gedreht. Ich schloss meine Augen. Egal, ob sie nun geöffnet oder geschlossen waren, ich konnte ja doch nichts sehen. Und wenn ich ihn nicht sehen konnte, dann sah er mich vielleicht auch nicht. Erinnerungen daran, dass er früher bereits geschrien und die Kiste geschüttelt hatte, versuchten sich in meinen Gedanken festzusetzen, doch ich ließ es nicht zu.
    Wieder wurde die Kiste gedreht, und dieses Mal blieb sie auf dem Kopf stehen. Mein Unrat fiel auf mich herab.
    Eine Erschütterung traf die Bretter. Hart und scharf. Das war es dann also gewesen.
    Ich stemmte mich auf die Beine und kauerte mich gleichzeitig zusammen. Wenn ich mich von der Rückwand abstoßen konnte, wenn ich nur schnell genug reagieren würde, dann gelang mir vielleicht die Flucht. Das letzte Mal hatte ich versucht, ihm auszuweichen, doch dieses Mal würde ich einfach geradewegs auf ihn zulaufen. Ich würde die Öffnung zwischen seinen Knien anvisieren und hindurchhechten. Und wenn ich es nicht schaffte, dann würde ich einfach über ihn hinwegspringen.
    Ich legte die Ohren an.
    Ich hörte, wie das Holz splitterte.
    Ein Nagel quietschte, als er gegen das Holz gedrückt wurde, und dann war die Wand verschwunden. Das wundervolle Licht, das hereindrang, blendete mich. Und dann traf mich der Schlag einer Rute. Es muss wohl eine Rute gewesen sein. Nur eine Rute schaffte es, sich auf diese Art durch mein Fell zu fressen. Nur eine Rute konnte mir das Fleisch aufreißen.
    Zu spät dachte ich daran, meine Nase zu schützen.
    Zu spät dachte ich daran, mich zusammenzurollen.
    Zu spät dachte ich an meine Fluchtpläne.
    Zu spät. Es war zu spät. Es war immer zu spät.
    »Chiant! Tu m’fait chier! Quelle chierie! «
    Er stand über mir mit seinen glitzernden, grauen Kleidern und seinem glänzenden Hut, und ich gab auf.
    Ich rollte mich auf den Rücken.
    Er
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