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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe
Autoren: Alexander Borell
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der sich ein paar Mark verdienen wolle. Er hat mich an Sie verwiesen, und er hat ein Trinkgeld dafür bekommen.«
    Ich war plötzlich von ihm und seinem Plan fasziniert. Und vielleicht von den drei Whiskys nicht mehr ganz klar im Kopf.
    »Gut«, sagte ich. »Mir scheint, ich kann Ihnen helfen. Wie sieht Ihr genauer Operationsplan aus?«
    »Ein ausgezeichnetes Wort — Operationsplan.« Seine Augen bohrten sich in meine. »Ich bin in manchen Dingen altmodisch. Ich glaube noch an die Ehre eines Mannes. Würden Sie mir Ihr Ehrenwort geben, über alles zu schweigen, was ich Ihnen jetzt sagen werde?«
    »Ja«, sagte ich und meinte es auch.
    »Ich vertraue Ihnen. Also, hören Sie: Ich werde in einen Zug steigen, der morgens um zwei Uhr fünfzehn von München in Richtung Starnberg fährt. Kennen Sie diese Strecke? Was haben Sie denn?«
    »Nichts«, sagte ich rasch, aber das Wort Starnberg erinnerte mich an etwas: Das Mädchen, das er kannte und das anscheinend Andrea hieß, war auch nach Starnberg gefahren. »Nichts«, wiederholte ich. »Ich mag Starnberg recht gern. Ist dort Ihr Hotel?«
    Er fuhr fort, als hätte ich ihn nicht unterbrochen: »Dieser Zug ist immer leer. Wochentags findet man jedesmal ein Abteil für sich allein. Kurz vor der Haltestelle Stockdorf werde ich mich erschießen. Sie steigen dann in Stockdorf, um zwei Uhr neununddreißig, in diesen Zug. Es ist um diese Zeit kein Personal mehr auf dem Bahnhof. Sie können von der Rückseite unbemerkt in den Zug gelangen. Sie werden mich finden, nehmen mir die Pistole weg und verlassen, einige Minuten später, auf der nächsten Station ebenso unbemerkt den Zug auf der Rückseite. Was sagen Sie nun? Sind das nicht wirklich drei leicht verdiente Tausender?«
    Fast zu leicht, dachte ich. Irgendwo mußte da noch ein Haken sein, aber ich fand ihn nicht. Ich fragte: »Und wann soll das passieren?«
    »Am Mittwoch. Genauer: in der Nacht vom Mittwoch auf Donnerstag.«
    »Also schon übermorgen.« Ich schüttelte den Kopf. »Sie sind ein sonderbarer Mensch. Sie essen Kartoffelpuffer, trinken Whisky und reden über Ihren Tod, wie über irgendein kleines, unbedeutendes Geschäft.«
    Er legte seine schmale, gepflegte Hand mit dem breiten Ehering auf meine. Sie war so trocken und kühl, wie es dieser ganze Mensch war.
    »Der Tod, mein Lieber, ist immer ein kleines, unbedeutendes Geschäft, und wenn es nur ein Bestattungsinstitut ist, das daran verdient. Ich meine, der Tod eines einzelnen. Große und interessante Geschäfte erfordern auch mehr Tote; das geht dann in die Millionen und nennt sich Krieg. Ich habe das Glück, mit meinem Tod eine halbe Million verdienen zu können. Wer kann das schon von sich sagen? Was hätte ich bekommen, wenn man mich abgeschossen hätte? Vielleicht ein Stück Blech im Wert von achtzehn Mark.«
    »Sie sprechen aber doch von Ihrem eigenen Tod?«
    »Ja, natürlich. Ich bin nicht mehr oder weniger wert, als jeder von uns.« Seine Augen waren wie Spiegel; man konnte nicht sehen, was hinter ihnen vorging. »Wenn Sie Soldat gewesen wären, könnten Sie mich vielleicht besser verstehen. Sind wir uns also einig?«
    »Ich — ich denke ja.«
    »Ich habe Ihr Wort? Sie müssen bedenken, daß ich Ihnen wirklich vertraue. Sie könnten genausogut in den Zug kommen, die Polizei alarmieren und dann versuchen, von der Versicherung eine Belohnung zu kassieren.«
    Ich fuhr auf.
    »Wofür halten Sie mich denn? Ich werde...«
    Mit einer knappen Handbewegung unterbrach er meinen Protest.
    »Ich habe nicht gesagt, daß ich Ihnen das zutraue.« Er winkte dem Kellner. »Ober, bitte zahlen!«
    Er zahlte, und als er seine Brieftasche aus Krokodilleder wieder eingesteckt hatte, fragte ich: »Und wie bekomme ich mein Geld?«
    »Das regeln wir draußen,« sagte er und stand auf. Ich erhob mich ebenfalls.
    Im Hinausgehen fragte ich: »Wer ist Andrea? Können Sie mir nicht mehr über sie sagen?«
    Wir standen auf der Straße. Ein kalter Wind ließ mich frösteln.
    »Andrea?« fragte er und schaute an mir vorbei. »Andrea ist meine Tochter. Aus meiner ersten Ehe. Meine erste Frau ist gestorben. Andrea hängt sehr an meiner jetzigen Frau. Die beiden verstehen sich ausgezeichnet. Es würde auch für Andrea besser sein, wenn sie niemals etwas vom Selbstmord ihres Vaters erführe.«
    Er öffnete die Wagentür. »Setzen Sie sich zu mir. Wir müssen noch den geschäftlichen Teil erledigen.«

2

    Ich hatte einen schweren Revolver mit langem Lauf in der Hand, hielt die Mündung genau
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