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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe
Autoren: Alexander Borell
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verhilfst, natürlich für das gleiche Honorar.«
    Ich hatte meinen Kaffee ausgetrunken und stellte das Täßchen behutsam auf den Tisch zurück.
    »Du bist eine herzlose Bestie, Gitta. Ich hatte gehofft, du würdest empört sein und mir mein Vorhaben ausreden. Ich hatte auf deine Weiblichkeit gehofft, auf Humanität oder irgend etwas, vor allem aber wollte ich sehen, wie entsetzt du bist.«
    Sie nahm sich eine ihrer langen, dünnen Zigaretten, und ich gab ihr Feuer.
    »Warum sollte ich entsetzt sein, Jerry? Nur wir Frauen sind in der Lage, den Wert des Geldes genau abzuschätzen. Bist du überzeugt, daß er sich umbringen wird?«
    »Felsenfest. Er will seiner Frau aus der Patsche helfen, in die sie durch ihn geraten ist.«
    Ihre grauen Augen wurden ganz dunkel.
    »Großartig«, sagte sie. »Er ist ein Held. Und vermutlich ist seine Frau ein Trampel und nicht wert, daß er sich für sie erschießt.«
    »Gitta, im Ernst: was soll ich tun?«
    Sie stand auf.
    »Hast du nicht gesagt, du hättest ihm dein Ehrenwort gegeben?«
    »Doch, aber...«
    »Als Frau verstehe ich natürlich nichts von Ehrenworten, aber ich glaube gelesen zu haben, daß Männer so etwas für wichtig halten. Jerry?«
    »Ja?«
    »Würdest du dir für mich eine Kugel in den Kopf jagen, wenn ich damit eine halbe Million verdienen könnte?«
    »Kaum. In seiner Lage würde ich mir Arbeit suchen. Wenn es sein müßte als Tankwart. Das wird heute gut bezahlt, und selbst ein ehemaliger Offizier könnte das Benzin ins richtige Loch füllen. Und meiner Frau würde ich vorschlagen, eine Zeitlang mitzuarbeiten, bis wir wieder flott wären, und dann ...«
    »Du Idiot! Anscheinend verpulverst du deine ganze Phantasie nur in deinen Artikeln, die kein Redakteur haben will.«
    Sie räumte das Kaffeegeschirr auf ein Tablett. »Du darfst diesen Helden nicht enttäuschen. Außerdem würde er, wenn du ihm wirklich noch absagen könntest, einen anderen finden, der weniger Bedenken hat, einer Versicherung ein bißchen Geld aus dem Kreuz zu leiern. Weißt du, daß ich seit sieben Jahren meine Beiträge zur Krankenversicherung bezahle und noch nicht einmal einen Schnupfen kriege, geschweige denn ein Baby, wofür ich Schwangerschaftsunterstützung bekommen könnte.«
    Ich blickte sie bewundernd an. Warum nur war sie bloß meine Freundin, nicht meine Geliebte?
    Ich sagte: »Darüber läßt sich doch reden. Und du meinst also, ich solle...«
    »Nimm ihm in Gottes Namen die Pistole weg. Schließlich ist es doch sein Wunsch und seine Idee.«
    »Und wenn doch etwas schief geht? Wenn man mich dabei erwischt?«
    »Dann werde ich dich manchmal im Gefängnis besuchen und dir hübsche, kleine Päckchen mitbringen.«
    Ich stand auf, nahm sie in meine Arme und küßte sie. Durch den Hausanzug hindurch, der viel solider aussah, als er war, spürte ich ihren schlanken Körper.
    »Gitta«, sagte ich draußen auf der Diele, »die kompletten zweitausendsiebenhundert, die ich noch zu bekommen habe, wären ein so schöner Grundstock. Und zusammen mit der Schwangerschaftsbeihilfe... Überleg’s dir.«
    Ich setzte mich in meinen alten Rekord und fuhr über Pasing hinaus nach Stockdorf, anschließend nach Gauting, um mir die beiden Bahnhöfe anzusehen. Vor allem interessierte mich deren Rückseite.

    Wer auch immer für meine seelische Konstruktion verantwortlich zeichnen mag: er hat mir eine moralische Bremse eingebaut, die sich in gewissen Situationen automatisch auslöst und mich dadurch schon oft daran gehindert hat, eine Menge Geld zu verdienen.
    Als ich abends nach München zurückgekehrt war, mich umgezogen und noch einmal rasiert hatte, und als ich endlich in meinem Stammlokal in der Nähe des Max II.-Denkmals mein Abendbrot verzehrte, war ich mir über einiges klar geworden.
    Tatsächlich konnte man in Stockdorf, durch Gebüsch und einen alten Lattenzaun gedeckt, unbemerkt einen Zug besteigen. Und ebenso leicht konnte man ihn in Gauting wieder nach hinten verlassen; ich hätte mir das sogar am hellichten Tag zugetraut.
    Technische Schwierigkeiten bestanden also nicht. Aber es war die Bremse, die mir Schwierigkeiten machte. Ich konnte es nicht zulassen, daß sich ein Mensch selber erschoß. Ich konnte ihn durch meine Hilfe nicht in seinem Vorhaben bestärken, und ich wollte keine Versicherung um eine halbe Million betrügen. Es war nicht recht gewesen, ihm mein Ehrenwort zu geben, und Gitta hatte auch nicht recht gehabt. Der Hotelier würde niemanden finden, der sich zu einer solchen Sache
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