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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe
Autoren: Alexander Borell
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ihn kurz und sagte, als er ihn lachend einsteckte: »Den haben Sie wohl jemandem aus den Händen gerissen, was?«
    »So ist es. Bitte volltanken.«
    Schließlich bezahlte ich auch noch das kleine Lebensmittelgeschäft. Man ist ein König, wenn man mit Hundertern bezahlt, auch wenn sie geklebt sind.
    Aber die ganze Zeit über war ich nur halb bei der Sache. Die merkwürdige, makabre Abmachung von heute nacht kam mir, je länger ich nun darüber nachdachte, desto unwirklicher vor. Plötzlich wurde ich mir bewußt, daß ich durch die Bezahlung meiner Schulden bereits einen Teil meines Honorars verbraucht hatte. Ich mußte mit jemandem darüber sprechen, mit jemandem, der auf alle Fälle dichthielt.
    Ich fuhr zu Gitta.
    Sie wohnt in einem der neuen Hochhäuser in Bogenhausen, im fünften Stock. Bei klarem Wetter, besonders bei Föhn, kann man von ihrem kleinen Balkon aus die Alpenkette in der Ferne sehen.
    Gitta ist Modezeichnerin. Kein überspanntes Geschöpf, sondern ein Mädchen, das mit beiden Beinen im Leben steht, wobei diese Beine ausgesprochen wohlgeformt sind. Sie zeichnet für eine große Konfektionsfirma die Versandkataloge und verdient so gut, daß sie nicht ans Heiraten denkt. Sie ist vier Jahre jünger als ich.
    Sie öffnete mir auf mein Klingeln in einem moosgrünen Hausanzug mit nicht zu engen Hosen. Diese Farbe verlieh ihrem kurzen, kastanienbraunen Haar einen leuchtenden Glanz. Sie ist klein und zierlich und reicht mir knapp bis zur Schulter. Ihre grauen Augen erfassen jede Situation blitzschnell.
    »Komm ‘rein«, sagte sie. »Es ist noch ein Rest Kaffee da. Du siehst aus, als könntest du so was brauchen.«
    »Kann ich auch«, sagte ich, während ich die kleine Diele betrat.
    Ihr Appartement ist modern; ein riesiges Wohnzimmer, aber kein Platz für einen Besen.
    Das riesige Wohnzimmer hat ein riesiges Fenster, vor dem eine Blumenbank steht. Auf der riesigen Couch lagen riesige Zeichenblöcke in riesigen Stapeln.
    Ich hockte mich auf ein winziges Sesselchen, das unter meinen beinahe zwei Zentnern ächzte, aber sich dann doch entschloß, nicht zu zerbrechen.
    Ich bekam ein winziges Täßchen Kaffee, der so stark war, daß er, entsprechend verdünnt, meiner Hauswirtin für mich einen Monat lang gereicht und sie sich trotzdem dem Verdacht ausgesetzt hätte, plötzlich freigebig geworden zu sein. Gitta setzte sich mir gegenüber, zog die Beine an und stützte das Kinn auf die Knie.
    »Du siehst so elend und zerknautscht aus, Jerry. Mußt du etwa arbeiten?«
    »Schlimmer«, sagte ich. »Ich hab’ mich auf eine schräge Sache eingelassen, und jetzt weiß ich nicht mehr, wie ich da herauskommen kann.«
    Ich erzählte ihr ausführlich von dem lebensmüden Hotelier, der sich umbringen wollte, um seine Witwe mit einer halben Million Mark Lebensversicherung glücklich zu machen.
    »Und schließlich«, so endete mein Bericht, »war ich wie hypnotisiert und sagte, ich würde ihm helfen. Ich hab’ ihm sogar mein Ehrenwort gegeben.«
    »Für nichts und wieder nichts?« fragte Gitta skeptisch. Frauen denken immer und überall zuerst ans Praktische.
    »Nein«, bekannte ich. »Draußen in seinem Wagen holte er drei Päckchen Hunderter aus der Tasche, fein gebündelt und noch mit der roten Bankbanderole. Er riß jedes einzeln durch und gab mir die Hälften. Dreißig halbe Hunderter, dreitausend Mark. Die anderen Hälften, so sagte er, würde ich dann in seiner Tasche finden, im Zug, wenn er sich erschossen hat. Was sagst du nun?«
    »Die Hunderter sind falsch.«
    »Nein, sie sind echt. Er gab mir nämlich noch drei von seinen Hälften, so daß ich drei Hunderter gleich kleben konnte, sozusagen als Vorschuß und für Spesen. Was sagst du nun?«
    Ihre grauen Augen mit den langen, schwarzen Wimpern ruhten nachdenklich auf mir.
    »Es soll keine Spitze gegen die Landwirtschaft sein, aber es stimmt offensichtlich, daß die dümmsten Bauern die größten Kartoffeln haben. Für dreitausend Mark muß ich zwei Monate hart arbeiten.«
    Ich grinste sie an.
    »Das gleicht einem Offenbarungseid. Endlich weiß ich, wieviel du verdienst. Es ist genug, um einen Mann ausreichend zu ernähren. Komm, laß uns einen Hausstand gründen.«
    Ich kenne sie schon drei Jahre, und es ist mir eine liebe Gewohnheit geworden, ihr hin und wieder einen Heiratsantrag zu machen. Sie nimmt ihn genausowenig ernst wie mich.
    Sie zeigte mir lächelnd ihre Reklamezähne.
    »Sicher, Jerry, vorausgesetzt, daß du jeden Monat einem Lebensmüden ins Jenseits
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