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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe
Autoren: Alexander Borell
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verdammt hübsches Mädchen.«
    »Das fand ich auch. Darum habe ich mich zu ihr gesetzt.«
    »Demnach nicht Ihre Freundin?«
    »Nein. Was kann ich für Sie tun?«
    Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. Er warf einen kurzen Blick auf die geschmacklose Uhr an der Wand; es war null Uhr zehn. Er stand auf.
    »Ich schlage einen Lokalwechsel vor«, sagte er.
    Ich blieb sitzen.
    »Ich finde es hier recht gemütlich. Kein Mensch kümmert sich um uns, nicht einmal die Bedienung. Wozu müssen wir woanders hin?«
    Es zuckte um seine tief eingeprägten Mundwinkel. Widerspruch schien ihm nicht zu passen.
    »Ich möchte Sie kennenlernen«, sagte er. »Wir werden uns ein Weilchen unterhalten. Wir fahren in ein nettes Schwabinger Nachtlokal. Ich möchte erst wissen, ob ich mich Ihnen anvertrauen kann.«
    »Gut, das ist ein Argument.« Ich stand auf. Er ließ seinen Blick über meine Klamotten wandern, ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Total abgebrannt?« fragte er schließlich.
    »Fast total.«
    Er nickte.
    »Kommen Sie, wir werden etwas essen und uns dabei unterhalten.«
    Ich sagte ihm nicht, daß mein Wagen im Hauptbahnhof-Parkhaus stand, sondern folgte ihm hinaus auf den Bahnhofsvorplatz.
    Die Türen des schwarzen Mercedes waren nicht abgeschlossen. Es war ein älteres Modell, aber sehr gut gepflegt.
    Es regnete noch ein wenig. Vor allem aber war es kühl geworden, wie meistens in München nach einem Gewitter.
    Der Mann lenkte den Wagen aus dem Parkplatz. Er fuhr sicher; man merkte die langjährige Routine. Die Straßen spiegelten die Lichtreklamen und die Verkehrsampeln.
    Wir fuhren schweigend in Richtung Norden, nach Schwabing.
    »Kennt man Sie in dem Lokal?« fragte ich. »Hat das etwas mit meiner Arbeit zu tun?«
    »Im Gegenteil«, sagte er. »Was sind Sie von Beruf?«
    Ich zündete mir eine Zigarette an, zog den Ascher am Armaturenbrett heraus und sagte: »Ich habe am Bahnhof keinen Job gesucht, bei dem man einen Personalbogen ausfüllen muß. Wollen wir uns darauf einigen, daß wir beide nur Fragen stellen, die mit dem Geschäft zu tun haben?«
    Er lächelte wieder, ohne seinen Blick von der Fahrbahn zu wenden. Wir fuhren durch die Ludwigstraße, obwohl wir vom Bahnhof aus direkt und rascher nach Schwabing hätten kommen können.
    Seine rechte Hand löste sich vom Steuer. Er zupfte mich leicht am Ärmel meiner alten Jacke.
    »Sie sind ein Anfänger«, sagte er. »Das hier paßt absolut nicht zu der Art, wie Sie sprechen. Journalist?«
    Ich war eine Sekunde lang verblüfft, fühlte mich überrumpelt und durchschaut.
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, ja. Aber abgebrannt bin ich tatsächlich.«
    Er fuhr langsam in die Straßenmitte, um nach links abzubiegen, und wartete eine Lücke des Gegenverkehrs ab.
    »Ich habe Sie für heute bestellt«, sagte er. »Aber ich glaube nicht, daß Sie für mich der Richtige sind. Was hat Ihnen Andrea erzählt?«
    »Andrea?«
    Er startete rasch.
    »Das Mädchen vorhin.«
    »Sie heißt Andrea? Sie kennen sie?«
    Er nickte.
    »Flüchtig. Deshalb wollte ich ja weg. Sie wohnt nicht in München.«
    »Ja, das hat sie mir auch gesagt. Mir scheint, sie hat auf Sie gewartet.«
    »Auf mich?«
    »Mir kommt es jetzt so vor. Sie wartete auf jemand, und Sie haben uns beobachtet. Vielleicht sind Sie dieser Jemand?«
    »Vielleicht.« Er fuhr die Amalienstraße hinauf. »Lassen wir sie aus dem Spiel. Wieviel wären Sie bereit, für dreitausend Mark zu riskieren?«
    »Alles, falls ich nicht unbedingt ein Gefängnis von innen kennenlernen muß.«
    Er bog in die Türkenstraße ein und hielt endlich vor einem kleinen Nachtlokal.
    »Kennt man Sie hier?« fragte er.
    »Nein. Mein Stammlokal liegt woanders.«
    »Gut«, sagte er, stellte den Motor ab und schaltete das Licht aus. »Gut, mich auch nicht.«
    Von innen sah das Lokal aus wie ein Trödlerladen. Sehr dunkle Wände, noch dunkleres Licht. Ein Sammelsurium von Bildern, alten Stichen und Fotos an den Wänden; einige Aquarien, trübselig beleuchtet und von blutarmen Pflanzen und Fischen spärlich bevölkert. Junge Burschen mit blasser Haut; Mädchen, die ungewaschen und ebenfalls blutarm aussahen, hockten an den Tischen. Eine rauchige Luft, dick zum Schneiden; Stimmengewirr und dazu die zirpende Musik eines alten, elektrischen Klaviers.
    Wir fanden einen kleinen Tisch für uns allein. Ein schmaler, fixer Kellner brachte uns die Speisenkarte.
    »Suchen Sie sich etwas aus«, sagte der Mann. Seine Manschetten mit den goldenen Knöpfen standen korrekt einen
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