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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe
Autoren: Alexander Borell
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Schaufenstern der Läden waren inzwischen ausgelöscht. Nur der Blumenladen strahlte noch in vollem Glanz.
    Schweigend gingen wir nebeneinander her, hinaus in die Halle mit den Bahnsteigen und hinüber zum Starnberger Bahnhof.
    Ihr Zug stand schon da.
    »Sehen wir uns wieder?« fragte ich.
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Ich weiß nicht. Halten Sie es für so wichtig?«
    »Für mich ist es wichtig. Aber ich weiß nicht einmal Ihren Namen.« Ich griff in meine Tasche. »Und meine Karte haben Sie auch auf dem Tisch liegen lassen. Stecken Sie die hier ein, vielleicht können Sie meine Telefonnummer doch noch einmal brauchen.«
    Sie lächelte.
    »Wozu?«
    »Um mich anzurufen und mir zu sagen, daß Sie wieder nach München hereinkommen — zum Beispiel.«
    Sie steckte meine Karte in ihre Handtasche.
    »Vielen Dank — Jerry.«
    Sie gab mir ihre Hand. Ich hielt sie fest.
    »Irgend etwas«, sagte ich ernst, »irgend etwas stimmt nicht mit Ihnen. Sie haben Kummer. Ich würde Ihnen gern helfen.«
    Ihr Gesicht wurde fast traurig.
    »Das kann niemand«, sagte sie. »Leben Sie wohl und — vielen Dank.«
    Sie ging durch die Sperre und schaute sich nicht mehr nach mir um.
    Was hatte ich eigentlich von ihr erwartet? Eine Liebeserklärung?
    Ich bin neunundzwanzig, groß und breit wie ein Sportler, obwohl ich keinen Sport treibe. Ich sehe aus wie — Gitta sagt wie Lex Barker und andere wieder meinen, ich gliche Jean Marais. Kurz: ich sehe sehr mittelmäßig aus. Das kompensiere ich allerdings durch ein entsprechendes Selbstbewußtsein, nur gerade an diesem Abend hatte es versagt. Sonst hätte ich nämlich gleich mit voller Breitseite geschossen, hätte damit geprahlt, daß ich Abitur gemacht, daß ich als Lehrling in einem Detektivbüro angefangen habe und später erst Journalist geworden bin, freier Journalist, wohlgemerkt, nicht angestellt, und deshalb mein eigener Herr.
    Vielleicht hätte ich ihr auch noch einmal meine obskure Verkleidung plausibler machen sollen. »Jerry«, hatte tags zuvor einer der Chefredakteure zu mir gesagt, als ich ihn um Vorschuß bat, »Sie schreiben reizende Artikel über den Viktualienmarkt, über Schulbuben im Deutschen Museum, über Liebespärchen im Englischen Garten, über das Maikäfersuchen in Hellabrunn, aber wen interessiert das schon? Bringen Sie mir mal eine handfeste, eine saftige, eine kriminelle Geschichte — und dann können wir über Vorschuß reden.«
    Das alles hätte ich ihr sagen sollen. Nun war es zu spät. Ich kannte nicht einmal ihren Namen, und ob sie wirklich in Starnberg wohnte, wußte ich auch nicht.
    Also zurück zu der Theke mit dem tätowierten Schankkellner, zurück zu dem Mann, der mir einen Auftrag geben wollte, der vermutlich zu dieser Umgebung passen würde.
    Ich zwängte mich zwischen einen kleinen, schwitzenden Dicken und einer großen, schwitzenden Dürren durch, die sich über den Preis noch nicht ganz einig waren, da winkte mir der Tätowierte zu, deutete auf einen Tisch, an dem ein einzelner Mann saß und sagte: »Das ist er. Er will mit Ihnen sprechen. Und wenn was draus wird — Prozente, klar?«
    »Klar«, sagte ich, arbeitete mich diesmal zwischen einem Jungen in lila Hemd, enger Hose und goldenem Armband, und einem etwas älteren Zärtlichen durch und steuerte den Tisch an.
    Der Mann war eher ein Herr. Er schien mich beobachtet zu haben, denn er sah mir prüfend entgegen.

    Sein Gesicht war ledern, ausgemergelt wie das Gesicht eines Kolonialoffiziers, und daher konnte ich sein Alter kaum schätzen. Auch die silbergrauen Schläfen konnten täuschen; er war vermutlich jünger, als er hier im kalten Neonlicht wirkte.
    Seine Augen, hellbraun und eher klein als groß, waren abschätzend und nüchtern, und die vielen kleinen Falten um die Augen konnten ebenso wie die braune Haut von vieler Sonne kommen.
    Als ich an seinen Tisch trat, machte er eine Handbewegung zu einem freien Stuhl hin. Diese Hand war lang, sehnig, ebenfalls braungebrannt und nicht übermäßig behaart. Ein breiter, goldener Ehering leuchtete kurz auf.
    »Bitte«, sagte er, »setzen Sie sich.«
    Ich nahm ihm gegenüber Platz. Einige Sekunden musterten wir uns schweigend, dann sagte er lächelnd: »Das Mädchen vorhin — Ihre Freundin?«
    Seine Zähne waren die tadellose Arbeit eines guten Zahnarztes. Er konnte Oberst gewesen sein, vielleicht auch Kapitän, Kommandant eines Zerstörers.
    »Gehört diese Frage zu unserem Geschäft?« fragte ich.
    Er lächelte noch immer.
    »Gewiß. Ein
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