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Die Bienenkönigin

Titel: Die Bienenkönigin
Autoren: Aufbau
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Realität werden lassen. Nur wenigen von uns ist es vergönnt, unsere Träume so zu
     verwirklichen, wie er es getan hat. Ja, |103| seine Leidenschaften waren exzessiv und wohl auch obsessiv. Er hat immer alles erreicht, was er wollte, aber ich frage mich
     manchmal – hat es ihm je gereicht?«
    »Du meinst, er hat gar nicht gefunden, was er suchte in Akeru – die REGELN?«
    »Vielleicht – vielleicht …«
    »Wie viele Ehefrauen erwartest du beim Fest?« Ich stehe im Atelier, und Maja überwacht die Anprobe meines Kostüms.
    »Gar nicht mal so wenige, und diejenigen, die kommen, lieben es, ihre Vorrangstellung zu behaupten. Es ist tatsächlich verblüffend,
     wie intensiv sie sich den Göttinnen zuwenden, von denen ihre Ehemänner betört sind oder waren. Und es ist höchst amüsant mitzuerleben,
     wie einige von ihnen der entsprechenden Göttin vorschlagen, gemeinsam einen unserer Privaträume aufzusuchen, die ja, wie du
     weißt, der Erkundung aller erdenklichen Formen der Sinnenfreude förderlich sind. Der beliebteste Raum ist immer noch derjenige
     – wie du dich erinnern dürftest, hat auch Talbot ihn stets gewählt – mit den purpurnen Satintapeten und dem Teppich aus rotem
     Seidensamt. Selbst ich bin manchmal verblüfft, wenn meine Göttinnen mir berichten, dass sie das eine oder andere von der Gattin
     gelernt haben. Aber so soll es ja auch sein.«
    »Und wozu führt das?«, frage ich mit bebender Stimme.«
    »Oft zu Handlungen, die nirgends außer hier bei uns geduldet würden.«
    |104| »Muss ich heute Abend Erwartungen erfüllen?«
    »Nein, Bee, hab einfach nur deinen Spaß.«
     
    Die Fête hat noch nicht begonnen, aber kostümiert und erwartungsvoll und unruhig steige ich hinauf in den fünften Stock des
     Janus Club, wo ich auf einen dunklen Gang stoße, der zu einer Tür führt, die unbemalt geblieben ist. Seltsam, aber sie springt
     auf, als ich näher komme, und als stießen mich unsichtbare Hände vor sich her, taumle ich in einen Raum, der so hell beleuchtet
     ist wie eine leere Bühne. Als sich die Tür hinter mir schließt, kann ich nicht sagen, ob der Raum klein ist oder groß, denn
     Wände und Decke sind verspiegelt. Sogar der Fußboden schimmert silbern und wirkt wie ein Spiegel. Benommen stehe ich da, im
     Kreuzfeuer von Hunderten, nein, Tausenden Bildern einer Frau, die auf die Spiegelwände treffen und zurückgeworfen werden,
     hin und her reflektiert, rauf und runter, rundherum, vervielfältigt bis in die Unendlichkeit. Das Gesicht dieser Frau ist
     verborgen hinter einer Maske aus Taubenschwingen und Marabufedern, ihr Kleid glitzernd von Strass und verwoben mit Kristallsternen,
     in eine Aura aus Tüll gehüllt. Ich schließe die Augen und drehe mich, bis ich wirble, und gebiete meiner Haut, unter dieser
     Kleiderpracht von mir abzufallen wie eine Puppenhülle, denn wenn ich die Augen wieder aufschlage, will ich Bee sein. Mir ist
     schwindlig, als ich die Maske abnehme – es ist nicht Bee, die zum Vorschein kommt. Nein – ich bin es. Tausende |105| von Priscillas schreien es hinaus –
Ja, ja
– direkt ins Herz einer jeden von uns –
sie
für ihn,
er
für sie – nicht ich. Was heißt es schon, dass ich die Gattin bin? Sie wird auf ewig seine Königin sein.
    ***
    In Santa Barbara beschließt Bee spontan, Maja zu überraschen und unangemeldet beim Maskenfest aufzutauchen. Sie wirft ihr
     mit Strass besetztes weißes Kleid mit den Kristallsternen in einen Koffer, dazu auch die Maske mit den Marabufedern und den
     Taubenschwingen, die Talbot ihr an jenem Abend über die Augen gelegt hatte, als er sie aus dem Janus Club nach Akeru brachte.
     Ihr Herz schlägt laut, als sie aus dem Fenster des Flugzeugs schaut, das auf dem Weg nach New York in die Wolken steigt, ins
     Sonnenlicht, bis es in einem blauen Nichts angelangt ist.
    Beherrscht von gegenseitiger Begierde, sind zwei Adler jetzt eins. Sie sind auf dem Weg, schwingen sich über Berge und Täler,
     Ozeane, Wüsten, aufeinanderzu, bei Tage über Wälder, im Dunkel der Nacht, mit unglaublicher Geschwindigkeit … Als es Mitternacht
     schlägt, erscheint Bee im Janus Club.
    Unter den Gästen ist eine Frau in einem trägerlosen Gazekleid, das von Strass und Kristallsternchen glitzert. Sie trägt eine
     Maske aus weißen Marabufedern |106| und Taubenschwingen, und sie hält sich gerade in der großen Halle auf, als Neuankömmlinge durch die Eingangstür drängen.
    Unter ihnen sieht sie eine Frau eintreten, die gekleidet ist wie sie
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