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Die Bienenkönigin

Titel: Die Bienenkönigin
Autoren: Aufbau
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um ihr einen kleinen Dämpfer zu versetzen.
     Ich erkläre Maja, ich sei rastlos, weil Talbot mir fehle, und habe daher Akeru auf unbestimmte Zeit in der Obhut von Rowena
     und unserem Personal zurückgelassen. Während der Unterhaltung wird mir klar, |97| dass sie nicht den geringsten Verdacht hegt, ich könne in Wahrheit Priscilla sein. Daher setze ich meine Sonnenbrille ab und
     blicke ihr direkt in die Augen. Lächelnd erwidert sie meinen Blick.
    »Also, Bee, du hast dich nicht im Geringsten verändert. Dich wiederzusehen ruft glückliche Zeiten in Erinnerung, und zufällig
     besuchst du uns genau zum richtigen Zeitpunkt – morgen Abend findet unser alljährliches Maskenfest statt. Komm mit und sieh
     dir an, wie wir den Ballsaal in eine silberne Kristallgrotte verwandeln.«
    Da ich mich absolut nicht mit den Räumlichkeiten auskenne, zögere ich: »Ich brauche etwas anzuziehen – ein Kleid, eine Maske.
     Ich hatte ganz vergessen, dass um diese Zeit das Maskenfest stattfindet.«
    »Geh einfach ins Atelier – man wird dir im Nu etwas Passendes anfertigen.«
    »Nein, lass mich zuerst einen Rundgang machen. Ich würde gern sehen, ob sich etwas verändert hat seit jenem Abend, als Talbot
     Anspruch auf mich erhob.«
    »Es hat sich nur wenig verändert«, versicherte mir Maja. »Unser Janus Club ist immer noch der beste im Land – unsere Göttinnen
     machen das Leben zu ihrer Kunst. Es ist nicht leicht, Frauen von deinem oder Nadines Format zu finden, aber es gibt da eine
     mehr als akzeptable Novizin, die so weit ist, beim Fest präsentiert zu werden. Sie heißt Phoebe und lernt schnell. Ich habe
     sogar Ersatz für Rowena gefunden, die du mir ja entführt hast. Sie gibt gerade Unterricht im Silberblauen |98| Salon – schau mal hinein, wenn du daran vorbeigehst. Bee, wir alle vermissen Talbot sehr, aber du darfst es dir hoch anrechnen,
     dass es dir gelungen ist, die REGELN, die er aufstellte, so strikt zu befolgen. Und zu was für einem Erfolg du Akeru gemacht
     hast! Gratuliere. Zudem hast du anscheinend meinen Rat befolgt und dich im innersten geheimen Zentrum deines Herzens nicht
     berühren lassen, oder?«
    Ich wandte mich ab, damit sie meine Tränen nicht sah.
    »Kein Zweifel, dass er dich wahrhaft verehrt hat. So eine seltsame Mischung, dieser Mann, findest du nicht? Und wenn du nichts
     gegen ein wenig Pop-Psychologie von deiner guten alten
Mamacita
hast: Ich bin zu dem Schluss gekommen: ein Genie, ja, und für die Welt auch ein Halbgott – aber als Mann, da muss seine Gier
     nach Ehre, Macht, Reichtum, Ruhm und der Liebe der Frauen wohl aus einem Mangel an Vertrauen rühren, bereits genügend davon
     bekommen zu haben; und wie jeder andere unbefriedigte Mann hat er sich von der Realität abgewendet und seine Interessen ebenso
     wie seine Libido auf den Entwurf und die Erschaffung einer Wunschwelt gerichtet, in der er seine Phantasien ausleben kann.
     Aber ich muss mich jetzt beeilen, Bee.« Sie hastete davon, um sich der Vorbereitung der Fête zu widmen.
    Ich bewegte mich bedachtsam durchs Haus, stellte mir vor, dass Talbot die Freitreppe heraufkommt, durch diese Korridore geht,
     vorbei an geschlossenen Türen. |99| Was hat hier stattgefunden? Was findet jetzt gerade statt? Die Vorderseiten aller Türen sind so kunstvoll im Trompe-l’œil-Stil
     bemalt, dass die dargestellten Figuren völlig real wirken. Ich strecke die Hand aus, um nacktes Fleisch zu berühren, und bin
     bestürzt, dass jedes Gesicht dem meinen ähnlich ist.
    Bin ich tatsächlich hier, oder bin auch ich nur ein Traum?
    Als ich mich umdrehe, weil ich die Treppe hinabgehen will, rennt mich jemand in größter Eile beinahe um, bleibt stehen, sieht
     mich an und ruft aus:
    »Bee! Was, um Himmels willen, machst denn
du
hier?«
    Zögernd, um mich erst mal zu fassen, antworte ich: »Ich bin etwas rastlos geworden, weil ich Talbot vermisse – und deswegen
     hergekommen.«
    »Oh, Bee, wie du mir gefehlt hast – ich bin auf dem Weg zu einer Anprobe, aber komm, lass uns reden.« Und sie zieht mich in
     eine Nische an der Treppe.
    »Ach, dieser herrliche Mann – dein Verlust tut mir so leid, Bee. Keiner war wie er, weder vorher noch seither, so großzügig,
     wie er zu uns allen war, so ganz anders als alle Gäste, die wir je hatten. Ich war immer eifersüchtig auf dich, überzeugt,
     dass ich von ihm hätte erwählt werden sollen – weil ich den Mumm besaß, seine Regeln zu akzeptieren. Ich hielt dich für viel
     zu romantisch, um es auf
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