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Die bezaubernde Arabella

Die bezaubernde Arabella

Titel: Die bezaubernde Arabella
Autoren: Georgette Heyer
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irgendeiner harmlosen Abendunterhaltung nach Hause begleitete. Sie hatte ernstlich befürchtet, er würde versuchen, zärtlich zu werden. Sie besaß nicht viel Erfahrung in solchen Dingen, aber es schien ihr doch durchaus möglich, daß ein Gentleman schon bei Beginn einer verabredeten Entführung von seiner Geliebten irgendwelche Gunstbeweise forderte. Eine Woche vorher, in der Geborgenheit ihres dunklen Schlafzimmers, die Wange am warmen Kissen, hatte Arabella sich gestanden, daß sie sich im Leben kein größeres Glück vorstellen konnte, als von Mr. Beaumaris in die Arme geschlossen zu werden. Jetzt, in ihrer beklagenswerten Zerrissenheit, konnte sie sich nichts Peinlicheres vorstellen. Doch Mr. Beaumaris war ohne Zweifel der beherrschteste unter allen Entführern, denn er zeigte keinerlei Neigung, seiner Leidenschaft zu unterliegen. Als er nur einsilbige Antworten erhielt, gab er es auf, Arabella ins Gespräch zu ziehen, lehnte sich in seine Ecke zurück, den Kopf so gegen den Seitenpolster gestützt, daß er ihr Gesicht im Mondlicht, das durch das Fenster in den Wagen fiel, beobachten konnte. Arabella bemerkte kaum, daß er nicht mehr zu ihr sprach. Sie war in ihre Gedanken verloren, saß aufrecht da und klammerte sich mit der einen Hand an den Riemen, der ihr zur Seite von der Wagenwand herabhing. Sie beobachtete den Postillon, der im Sattel geschaukelt wurde, und erriet, als die gepflasterte Straße aufhörte, daß man nun ins offene Land hinausfuhr. In welche Richtung die Fahrt ging und wo der erste Halt sein würde, davon hatte sie keine Ahnung, auch waren das nicht die Fragen, die sie beschäftigten. Von Anfang an hatte sie gewußt, daß ihr Betragen unverzeihlich war; was sie jetzt bedrückte, war die jähe Erkenntnis, daß ihre Absicht – Mr. Beaumaris zu heiraten, während er noch immer ein falsches Bild von ihr hatte – ein so schändliches Betragen war, daß er es ihr wohl nie verzeihen konnte; ganz davon zu schweigen, daß er ihr jemals wieder seine Zuneigung zuwenden konnte. Bei diesen schmerzlichen Gedanken schluchzte sie leise auf, und daraufhin fragte Mr. Beaumaris: »Was gibt’s, Liebste?«
    »Ach, nichts«, stammelte Arabella bewegt.
    Zu ihrer großen Beruhigung schien er sich damit abzufinden, denn er äußerte nichts mehr darüber. Von der Woge ihrer Gewissensbisse hochgetragen, gestand sie sich, daß er unbestreitbar der vollendetste Gentleman, der Mann mit den besten Manieren, dem zartesten Feingefühl und der echtesten Güte war. Es war dies der Augenblick, auf den Mr. Beaumaris gewartet hatte. Ganz plötzlich stellte Arabella sich die Frage, wann, wie bald nach der Hochzeitszeremonie sie von ihm verlangen konnte, er möge nicht nur ihrem Bruder die Schuld erlassen, sondern ihm noch weitere hundert Pfund zur Regelung seiner Verpflichtungen leihen; und wie sie die Worte finden sollte, um ihm begreiflich zu machen, wie dringend notwendig das alles wäre. Es gab keine geeigneten Worte, das war ihr alsogleich klar. Sie konnte sich jetzt gar nicht vorstellen, wie sie jemals hatte so närrisch sein können, so etwas für möglich zu halten; oder gar, daß es ihr nach einem solchen Geständnis gelingen könnte, ihn jemals davon zu überzeugen, wie innig sie ihn liebte.
    Diese und noch andere peinliche Gedanken folterten Arabellas verängstigtes Herz, als sich die Gangart, in der der Wagen fuhr, fühlbar verlangsamte. Der Reisewagen machte eine scharfe Wendung, und nur daß Arabella sich an dem Riemen festklammerte, bewahrte sie davor, gegen Mr. Beaumaris’ Schulter geschleudert zu werden. Der Wagen fuhr noch ein Stück, dann hielt er. Arabella wandte sich dem Schweigenden, der an ihrer Seite saß, zu und sagte atemlos: »Ich kann nicht! Ich kann nicht! Mr. Beaumaris, es tut mir schrecklich leid, aber es war alles ein Irrtum. Bitte, bringen Sie mich nach London zurück! Bitte, bringen Sie mich zurück!«
    Mr. Beaumaris nahm diese entmutigende Bitte ohne erkennbare Bestürzung auf und äußerte nur, als die Wagentür geöffnet wurde: »Wollen wir darüber in einem gemütlicheren Raum weitersprechen? Darf ich Ihnen aussteigen helfen, Liebste?«
    »Bitte, bringen Sie mich zurück! Ich… ich mag mich überhaupt nicht entführen lassen«, flüsterte Arabella.
    »Schön, brennen wir nicht durch«, erwiderte Mr. Beaumaris ermutigend. »Ich muß zugeben, daß wir es ja auch gar nicht nötig hatten. Kommen Sie, bitte.«
    Arabella zögerte, aber da er entschlossen schien, daß sie auszusteigen hätte,
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