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Die Beschützerin

Die Beschützerin

Titel: Die Beschützerin
Autoren: Susanne Kliem
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Nummer und schrie vor Erleichterung, als ich seine Stimme hörte. »Vanessa Ott ist hier. Sie will …« Ein heftiger Schlag ließ mein Schiff erzittern. Ich ließ das Handy fallen und sah nach draußen. Wie eine Wand türmte sich der Rumpf des Motorboots neben mir auf. Vanessa Ott musste gegen mein Schiff geprallt sein. War es leckgeschlagen? Drang Wasser herein? Es war nichts zu erkennen. Der Stoß hatte meinen Kiel aus dem Schlick befreit. Beide Boote schaukelten und stießen gegeneinander. Da sah ich sie, etwa einen Meter über mir, sie klammerte sich an ihre Reling, setzte sich darauf, schwang die Füße über Bord, zögerte, schien auf den richtigen Moment zu warten. Sie sprang auf mein Boot.
    Sie landete auf einem Bein, mit dem anderen rutschte sie ab. Sie stürzte auf den Schiffsboden, schrie auf vor Schmerz. Ich versteckte mich im Inneren des Bootes. Ich konnte die Luke nicht versperren, denn das Schott, ein stabiles Holzbrett, lag unerreichbar bei ihr hinten in der Backskiste. Ich suchte im Salon nach einer Waffe, nahm das längste scharfe Messer aus der Besteckschublade. Vorsichtig näherte ich mich der Luke und spähte nach draußen. Vanessa Ott war nicht mehr zu sehen. Wo war sie? Hatte sie sich verletzt? Durch das Fenster sah ich das Motorboot wegtreiben. Auch mein Boot bewegte sich. Zum Glück weg von der Untiefe.
    Mit dem Messer in der Hand stieg ich aus der Luke. Vanessa Ott hockte in der Nähe des Mastes und hielt ihr Bein umklammert. Der Wind wirbelte ihr falsches langes Haar um ihren Kopf.
    Â»Haben Sie noch immer nicht genug?«, schrie ich.
    Sie hob den Kopf und löste sich vom Mast. Sie rutschte langsam auf dem Po in meine Richtung, ihre Bewegungen waren eckig und unsicher. Ich dagegen war mit den Schiffsbewegungen vertraut, daran gewöhnt, sie mit dem Körper aufzufangen. Das war ein Vorteil. Trotzdem war ich wie gelähmt vor Angst. Ich hob das Messer vor meine Brust. Sie kam näher. Der Ausdruck in ihrem Gesicht schockierte mich. Es war von Schmerz und Verzweiflung verzerrt.
    Sie blickte auf das Messer und hielt inne. »Warum wollen Sie mir wehtun?«, rief sie, gegen das Knallen des Segels ankämpfend.
    Ich weinte und lachte zugleich. »Ich? Ich will Ihnen wehtun? Sie machen mein ganzes Leben kaputt.«
    Sie schüttelte heftig den Kopf. Die Konturen ihres Gesichtes verschwammen vor meinen Augen, und ich sah meine Mutter vor mir, ihren verzweifelten und doch kalten Blick. Du bist an allem schuld! Starr mich nicht so an! Verschwinde ins Bett. Verschwinde …
    Â»Was hab ich Ihnen getan?«, schrie ich.
    Sie kroch weiter auf mich zu. »Mich im Stich gelassen. Ich habe Ihnen vertraut, Ihnen intimste Dinge von mir erzählt. Vom Tod meiner Mutter … Wir waren Freundinnen.«
    Â»Nein! Freundinnen belügen sich nicht. Ihre Mutter ist gar nicht tot! Sie wollten nur mein Mitleid erregen. Und gleichzeitig haben Sie Ihre Macht ausgespielt. Sie wussten, dass ich Angst um meinen Job habe.«
    Â»Wenn ich geahnt hätte, wie falsch Sie sind! Wie berechnend! Auf dem Konzert hab ich es endlich erkannt. Als Sie mich weggestoßen haben, mir gezeigt haben, wie sehr Sie mich verachten!«
    Ich starrte sie an. Wie konnte sie das behaupten? »Aber das habe ich nicht. Ich habe Ihnen nicht das Geringste getan!«
    Â»Sie haben mich links liegen lassen, mich nicht mehr beachtet. Sie standen ja im Mittelpunkt, von allen bewundert. Sie hatten nur noch Augen für diesen Musiker und für seine albernen Freunde.«
    Ich zitterte vor Wut und Angst. Bei ihr war an diesem Abend ein eigener Film abgelaufen, der nichts mit der Realität zu tun gehabt hatte. Wie verblendet musste sie sein? Wie … krank? Sie hatte gemerkt, dass sie mich nicht für sich allein haben konnte. Damit hatte ich sie verletzt, ohne es zu ahnen. Und von da an hatte sie mich gehasst. Mich bestraft.
    Ich ließ sie für eine Sekunde aus den Augen und blickte mich um. Nirgendwo war ein Boot zu sehen. Aber Gregor musste längst die Polizei verständigt haben. Und ganz sicher war er unterwegs zu mir …
    Blitzschnell packte Vanessa Ott meinen Arm mit dem Messer. Ich versuchte, mich aus ihrem Griff zu befreien. Ihr Gesicht war nah vor meinem.
    Â»Sie haben mir wehgetan, und jetzt tue ich Ihnen weh«, keuchte sie. Ihre Fingernägel kratzten über meine Wange. Ich riss schützend eine Hand hoch. Sie packte das Messer, entwand es meinen
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