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Die Beschützerin

Die Beschützerin

Titel: Die Beschützerin
Autoren: Susanne Kliem
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es dir?«, fragte ich vorsichtig.
    Er atmete hörbar aus. »Nicht so gut. Die letzte Zeit war … anstrengend. Und dir?«
    Â»Auch nicht berühmt …«
    Wir redeten wie zwei Fremde. Gleichzeitig war die Nähe zwischen uns so intensiv spürbar, dass ich am liebsten geweint hätte. Alles ungeschehen machen. Alles, was passiert war, einfach vergessen und von vorn anfangen.
    Â»Es ist schwierig am Telefon«, sagte Gregor. »Ohne … dein Gesicht zu sehen.«
    Â»Ja, geht mir genauso.«
    Aus dem Wismarer Fahrwasser näherte sich von rechts ein Motorboot. Mein Segelboot hob und senkte sich im Rhythmus der Wellen.
    Â»Gregor? Meinst du, wir könnten uns treffen?«
    Â»Das wäre gut. Wo bist du?«
    Â»Auf dem Boot.«
    Er räusperte sich. »Ich komme nach, so schnell ich kann. Aber es gibt noch eine Sache, die ich hier erledigen muss.«
    Â»Eine … Sache?«
    Â»Ich kläre das mit ihr. Ich sage ihr, was ich von ihr halte.«
    Ich hörte die Wut in seiner Stimme. »Nein, tu das nicht. Sie ist krank. Es hat keinen Sinn. Du kannst mit ihr nicht reden wie mit normalen Menschen …«
    Â»Ich lass ihr das nicht durchgehen. Schon gar nicht, was sie dir alles angetan hat.«
    Auf keinen Fall wollte ich, dass Gregor ihr noch mal begegnete. Wenn sie ihm etwas antat … Und ich war über zweihundert Kilometer entfernt. Versteckte mich hier auf meinem Boot, redete mir ein, ich wäre in Sicherheit. Aber es war ein Trugschluss. Solange sie irgendwo lauerte, gab es keine Sicherheit. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun würde, wenn ich in Berlin ankam, aber ich durfte mich nicht vor ihr verstecken.
    Â»Warte auf mich. Ich fahre zurück, so schnell ich kann.«
    Er zögerte. »Okay«, sagte er dann. »Wir stehen das gemeinsam durch.«
    Ich rieb mir über die nackten Arme. Der Wind war kälter geworden. Ich nahm Kurs auf den Hafen.
    Das Motorboot fuhr in meine Richtung. Vielleicht Leute, die auf der Untiefe ankern wollten. Ich orientierte mich. Die Sandbank schimmerte als heller Streifen unter Wasser, doch das dunkelgraue, stählerne Untiefenzeichen lag weit genug entfernt. Ich befand mich auf sicherem Gebiet. Das Motorboot näherte sich weiter, fuhr genau auf mich zu.
    Ich riss mein Fernglas aus der Halterung und starrte hindurch. An Bord sah ich eine einzelne Person. Sie war mager, trug eine weiße Schirmmütze und eine Sonnenbrille. Der Motor heulte auf, das Boot wurde schneller, preschte auf mich zu.
    Es gab keinen Zweifel. Sie war es. Sie hatte mich gefunden.
    Hektisch blickte ich um mich. Ausweichen. Ich musste weg hier. Ich korrigierte meinen Kurs nach Backbord, hielt nun auf die Lieps zu. Das konnte nicht gut gehen. Die Sandbank lag mir im Weg. Ich fror. Vanessa Ott hatte ebenfalls ihren Kurs geändert und raste weiter direkt auf mich zu. Sie nahm die Schirmmütze ab, und lange dunkle Locken fielen über ihre Schultern.
    Es lagen nicht viel mehr als dreißig Meter zwischen den Booten. Ich musste wenden. Die Untiefe war nicht mehr weit entfernt, ich sah schon die Möwen im Wasser stehen. Aber ich konnte auch nicht ausweichen, Vanessa Ott versperrte mir den Weg. Noch zwanzig Meter. Ich umklammerte die Pinne. Fehlentscheidung, für eine Wende reichte der Platz längst nicht mehr. Noch zehn Meter.
    Sie starrte zu mir herüber. Es war, als bohrte sich ihr Blick durch meine Haut, durch das Fleisch bis tief auf die Knochen. Ihr Gesicht war angespannt, ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Wollte sie mein Boot versenken? Noch sieben Meter. Noch fünf. Vor mir türmte sich die hohe Bordwand auf. Ich hörte schon das hässliche Geräusch, mit dem die Rümpfe ineinanderkrachten. Gleich würde mein geliebtes Boot, das Boot meines Vaters, zersplittern. Ich riss das Ruder herum und fuhr direkt auf die Lieps zu. Das Wasser zwischen den Booten schäumte wild und weiß. Ein paar Zentimeter! Das Motorboot schoss an mir vorbei. Das war knapp gewesen! Es gab einen Ruck, ich verlor den Halt, ließ das Ruder los, wurde nach vorn geschleudert. Mein Schiff saß auf Grund, der Kiel steckte im Boden fest. Ich hatte mir beim Fallen die Schulter geprellt. Ich rappelte mich auf, warf die Segel los. Laut schlugen sie im Wind hin und her. Das Motorboot hatte abgebremst. Es drehte und kam wieder auf mich zu. Ich fiel fast unter Deck und holte mein Handy aus der Hosentasche. Ich wählte Gregors
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