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Die Beschleunigung der Angst

Die Beschleunigung der Angst

Titel: Die Beschleunigung der Angst
Autoren: Andreas Acker
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wurde
heller, als sie die Machete an sich nahm. Ihr Gesichtsausdruck sagte ihm, was
sie davon hielt, dieses Mordsinstrument in den Fingern zu halten. Sie
beschwerte sich jedoch nicht, stattdessen nickte sie in Richtung
Maschinenpistole.
    »Kannst du damit schießen?«,
fragte sie.
    »Ja, sogar einhändig. Hat so
gut wie keinen Rückstoß.«
    Karla schüttelte den Kopf.
    »Ich meine, kannst du damit
auf Menschen schießen?«
    Gute Frage. Gestern Abend
noch, kurz vor dem Fußballspiel in seiner Wohnung, hätte er vehement verneint.
Doch jetzt, nur wenige Stunden und doch eine gefühlte Ewigkeit später, war ihre
Frage nicht mehr so leicht zu beantworten.
    »Ich hoffe, dass ich es
nicht muss«, sagte er. »Aber ja, ich denke, das kann ich.«
    Und das glaubte er wirklich.
Er war kein Killer, ganz wie Xerxes es gesagt hatte. Er verkaufte
hauptberuflich USB-Hubs und Breitbandmodems, verdammt noch mal. Doch er merkte,
dass sich etwas in ihm verändert hatte. Er war nicht mehr der gleiche Kerl wie
noch gestern Nachmittag. Er wusste nicht, ob es von Dauer sein würde, oder ob
dieser neue Teil seines Ichs wieder verschwinden würde, vorausgesetzt, er lebte
lange genug. Doch er wusste, dass er das hier durchziehen konnte. Zu tun, was
immer auch nötig war.
    Er widmete sich wieder dem
schnellschüssigen Todbringer. Er fand den Hebel, mit dem er das Magazin
auswerfen konnte, und wog es in der Hand. Schwer. Einige Patronen hatte er mit
Sicherheit noch. Marco hatte zwei kurze Feuerstöße in den Raum gerichtet,
jeweils schätzungsweise sechs Schüsse. Ging man davon aus, dass das
Patronenmagazin zwanzig Projektile fasste, was ihm realistisch erschien, hatte
er demzufolge acht Kugeln übrig.
    Es war an der Zeit, das
Spiel zu Ende zu bringen. Und er hatte vor, es zu gewinnen.
    Er ging zu Karla, strich ihr
eine Haarsträhne aus dem Gesicht und legte ihr die Hand auf die Wange.
    »Ich hole uns hier raus«,
sagte er. »Verlass dich drauf.«
    Karla nickte.
    »Ich weiß«, sagte sie und
hielt seine Hand auf ihrer Wange fest. »Ich weiß.«
    So schwer es ihm auch fiel,
er löste seine Hand aus ihrer.
    »Lass die Taschenlampe in
den hinteren Bereich des Raums gerichtet. So kann ich genug sehen, aber man
kann unseren Standort nicht so leicht erkennen. Warte hier. Ich gehe nur kurz
in den Flur.«
    Er ging zur Türöffnung und
blickte den Gang entlang in Richtung Haupttreppe. Er konnte nichts erkennen,
auch wenn die Morgensonne sich ein weiteres kleines Stück Dunkelheit
einverleibt hatte.
    »Xerxes«, rief er. »Das
Spiel ist aus. Lass es uns hier beenden und nach Hause gehen.«
    Die Antwort ließ eine Weile
auf sich warten. Wahrscheinlich hatten Xerxes und Yvonne gespannt auf Marcos
Meldung gewartet. Doch mit Daniel, dem Mann, den Marco hätte umbringen sollen,
hatten sie nicht gerechnet.
    »Du gehst mir langsam
tierisch auf die Eier!«, sagte Xerxes dann. Er schien immer noch an der
Haupttreppe zu stehen.
    Trotz seiner Situation
musste Daniel lächeln. Wenn er Xerxes auf die Eier ging, hatte er einiges
richtig gemacht.
    »Das gebe ich gerne zurück.
Auch deine Anwesenheit kotzt mich ziemlich an. Warum verpisst du dich also
nicht retour in das Loch aus dem du gekommen bist?«
    Das war gut. Keine Angst
zeigen.
    »Was ist mit Marco?« Das war
Yvonne. Sie war eindeutig in Sorge um ihren Lebensgefährten.
    »Der hat was ins Auge
gekriegt. Jetzt hängt er hier einfach so rum.«
    »Was heißt das?« Ihre Stimme
überschlug sich und drohte zu brechen.
    »Das heißt, dass ich jetzt
eine Maschinenpistole habe und ihr nicht«, sagte er. »Game over. Insert coin«,
schob er nach, auch wenn das nicht wirklich viel Sinn ergab. Aber irgendwie
fand er, dass sich das cool und furchtlos anhörte. Und so wollte er wirken, in
der Hoffnung, dass die verbliebenen Gangster wirklich von ihm und Karla
abließen und verschwanden.
    Daniel hörte ein
metallisches Zirpen, der Klang einer stählernen Heuschrecke. Er kannte das
Geräusch, konnte es jedoch nicht einordnen. Vielleicht weigerte sein Verstand
sich auch nur, das Undenkbare zu denken.
    »Du hast eine
Maschinenpistole? Herzlichen Glückwunsch!« Xerxes hatte wieder das Wort
übernommen. »Ich habe eine Handgranate.«
    Jetzt wusste Daniel, was er
vorher gehört hatte. Das unverkennbare Geräusch eines Splints, der aus einer
Handgranate gezogen wurde, um sie scharfzumachen. Eine Sekunde später holperte
ein schwerer Gegenstand über den aufgerissenen Flur in Daniels Richtung. Er
konnte die Granate nicht sehen,
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