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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte
Autoren: Kristin Cashore
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Großvater aus Lienid. Es gab nicht viele Leute, die sie auf ihre Gabe ansprachen.
    Sie stiegen an dunklen Dächern und Toren vorbei. Katsa spürte allmählich die Folgen der schlaflosen Nacht, und es würde noch einige Stunden dauern, bis sie sich ausruhen konnte. In Gedanken wiederholte sie die Worte des Großvaters. Er hatte den gleichen Akzent wie dieser Mann, der Lienid im Schlosshof.
    Schließlich trug sie ihn doch, denn als es so weit war, bekam sie ihn nicht wach. Sie gab die Zügel einem Kind, das an der Mauer kauerte, einem Mädchen, dessen Vater ein Freund desRats war. Dann legte sie sich den Alten über die Schulter und wankte Schritt für Schritt die zerbrochenen Stufen hinauf. Das letzte Stück war praktisch senkrecht. Nur der bedrohlich heller werdende Himmel trieb sie an, nie hätte sie sich vorgestellt, dass ein Mann, der aussah wie aus Staub gemacht, so schwer sein konnte.
    Sie hatte keine Luft mehr für den leisen Pfiff, das Signal für Raffin, aber das machte nichts. Er hörte sie kommen.
    »Vermutlich hat die ganze Stadt deinen Aufstieg gehört«, flüsterte er. »Ehrlich, Kat, ich hätte nicht gedacht, dass du so viel Krach machen kannst.« Er bückte sich und zog ihre Last auf die eigenen mageren Schultern. Sie lehnte sich an die Mauer und holte Atem.
    »Meine Gabe gibt mir keine übermenschlichen Kräfte«, sagte sie. »Ihr Unbeschenkten versteht das nicht. Ihr glaubt, wenn wir eine Gabe haben, dann haben wir alle.«
    »Ich habe deinen Kuchen probiert und erinnere mich an deine Handarbeiten. Mir ist klar, dass du bei einer ganzen Reihe von Gaben übergangen worden bist.« Er lachte im grauen Morgenlicht zu ihr hinunter und sie lächelte zurück. »Ist es gelaufen wie geplant?«
    Sie dachte an den Lienid im Schlosshof. »Ja, zum größten Teil.«
    »Geh jetzt«, sagte er, »und sei vorsichtig. Ich werde mich um ihn kümmern.«
    Er drehte sich um und schlüpfte mit seiner lebenden Bürde ins Schloss. Sie rannte die zerbrochenen Stufen hinunter, bog in einen Weg nach Osten, zog die Kapuze tief ins Gesicht und lief dem rosa Himmel entgegen.

Katsa lief an Wohnhäusern und Werkstätten, Läden und Gasthäusern vorbei. Die Stadt erwachte und die Straßen rochen nach frisch gebackenem Brot. Sie begegnete dem Milchmann, der im Halbschlaf auf seinem Karren saß; vor ihm seufzte sein Pferd.
    Sie fühlte sich leicht ohne ihre Last und die Straße neigte sich bergab. Leise und schnell rannte sie über die Felder im Osten der Stadt, immer weiter. Eine Bauersfrau trug zwei Eimer über ihren Hof, die an einer Stange auf ihren Schultern hingen.
    Als sie zwischen die Bäume kam, wurde Katsa langsamer. Jetzt musste sie vorsichtig sein, damit sie keine Äste brach oder Stiefelabdrücke hinterließ und eine Spur direkt zum Treffpunkt legte. Der Weg wirkte bereits ein wenig benutzt. Oll, Giddon und die anderen gaben nie so gut Acht wie sie, und natürlich konnten die Pferde nicht anders, als einen Pfad zu bahnen. Bald würden sie einen neuen Treffpunkt brauchen.
    Bis sie in das Dickicht eindrang, in dem sich ihr Versteck befand, war es hell. Die Pferde grasten. Giddon lag auf dem Boden, Oll lehnte an einem Stapel Satteltaschen. Beide schliefen.
    Katsa schluckte ihren Ärger hinunter und ging zu den Pferden. Sie begrüßte die Tiere und hob ihre Hufe, einen nach dem anderen, um sie nach Rissen und Steinen abzusuchen. Die Pferde hatten ihre Sache gut gemacht, und wenigstens sie wussten es besser, als im Wald einzuschlafen, so nah bei der Stadt und so weit von dem Ort, wo Randa sie vermutete. Ihr eigenes Pferd schnaubte und Oll hinter ihr rührte sich.
    »Und was wäre, wenn euch jemand schlafend am Waldrand entdeckt hätte«, sagte sie, »während ihr schon halbwegs an der östlichen Grenze sein solltet?« Sie sprach in ihren Sattel und kratzte ihr Pferd an der Schulter. »Wie hättet ihr das erklärt?«
    »Ich hatte nicht vor zu schlafen, My Lady.«
    »Das macht es nicht besser.«
    »Wir haben nicht alle Ihre Ausdauer, My Lady, besonders die Grauhaarigen nicht. Beruhigen Sie sich, es ist nichts passiert.« Er schüttelte Giddon, der als Reaktion die Hände auf die Augen legte. »Wachen Sie auf, My Lord. Wir sollten weiter.«
    Katsa sagte nichts. Sie legte ihre Satteltaschen auf und wartete bei den Pferden. Oll brachte die restlichen Taschen und befestigte sie. »Ist Prinz Tealiff in Sicherheit, My Lady?«
    »Ja, es ist gutgegangen.«
    Giddon stolperte herüber, er fuhr sich durch den braunen Bart und packte dann
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