Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte
Autoren: Kristin Cashore
Vom Netzwerk:
umschloss. Leck, der König von Monsea, war mit Ashen verheiratet, der Schwester von König Ror von Lienid. Leck und Ror missbilligten beide die Streitigkeiten der anderen Königreiche. Doch das schmiedete noch kein Bündnis, Monsea und Lienid waren zu weit voneinander entfernt und zu unabhängig, zu desinteressiert am Treiben der anderen.
    Über den Hof von Monsea war wenig bekannt. König Leck wurde von seinem Volk geliebt, er hatte den Ruf, zu Kindern, Tieren und allen hilflosen Geschöpfen besonders gütig zu sein. Die Königin war eine liebenswürdige Frau. Eshieß, sie nehme keine Nahrung mehr zu sich seit dem Tag, an dem sie vom Verschwinden des alten Lienids gehört habe. Denn natürlich war der Vater des Königs von Lienid auch ihr Vater.
    Es konnte nur Wester, Nander oder Estill den Großvater entführt haben. Katsa fiel keine andere Möglichkeit ein, es sei denn, Lienid selbst wäre beteiligt. Der Gedanke schien lächerlich, wäre nicht dieser Lienid in Murgons Schlosshof gewesen. Er hatte üppigen Schmuck getragen, er war sicher ein Adliger. Und jeder Gast von Murgon war verdächtig.
    Doch Katsa glaubte nicht, dass er an der Entführung beteiligt war. Sie konnte es nicht erklären, aber sie spürte es.
    Warum war Großvater Tealiff geraubt worden? Welche Bedeutung könnte er haben?
    Sie erreichten Randa City vor der Sonne, aber nur knapp. Sobald die Pferdehufe auf dem Pflaster in den Straßen klapperten, ritten sie langsamer. Manche Bürger waren schon wach. Katsa und ihre Begleiter durften nicht durch die engen Straßen preschen, das hätte sie verdächtig gemacht.
    Sie ritten vorbei an Bretterbuden und Holzhäusern, Werkstätten in Gebäuden aus Stein, Geschäften mit geschlossenen Läden. Die Häuser wirkten freundlich, die meisten hatten vor kurzem einen neuen Anstrich bekommen. In Randa City gab es keinen Schmutz. Randa duldete keinen Schmutz.
    Als die Straßen anstiegen, sprang Katsa ab. Sie gab Giddon ihre Zügel und nahm die von Tealiffs Pferd. Giddon und Oll bogen in eine Straße, die sich nach Osten zum Wald erstreckte, und führten Katsas Pferd hinter sich her. So war es abgemacht. Ein Junge mit seinem Großvater zu Pferd fiel aufdem Weg zum Schloss sicher weniger auf als vier Pferde und vier Reiter. Oll und Giddon würden die Stadt verlassen und zwischen den Bäumen auf Katsa warten. Sie wollte Tealiff durch ein hohes Tor in einem abgelegenen Teil der Schlossmauer zu Prinz Raffin bringen, das Oll sorgfältig vor Randa geheim hielt.
    Katsa zog dem alten Mann die Decken fester um den Kopf. Es war noch dunkel, doch wenn sie seine Ohrreife sehen konnte, würden andere sie auch bemerken. Tealiff lag zusammengesunken auf dem Pferd; ob er schlief oder bewusstlos war, konnte sie nicht sagen. Falls er bewusstlos war, hatte sie keine Ahnung, wie sie den letzten Teil der Reise hinter sich bringen sollte. Sie mussten eine bröckelnde Treppe in der Mauer hinauf, die kein Pferd bewältigen konnte. Katsa berührte Tealiffs Gesicht. Er regte sich und fing wieder an zu zittern.
    »Sie müssen aufwachen, Prinz«, sagte sie. »Ich kann Sie nicht die Stufen zum Schloss hinauftragen.«
    Das graue Morgenlicht spiegelte sich in seinen Augen, als er sie aufschlug, und seine Stimme zitterte, weil er so fror. »Wo bin ich?«
    »Wir sind in Randa City, in den Middluns«, sagte sie. »Wir sind fast in Sicherheit.«
    »Ich habe Randa nicht für jemanden gehalten, der Rettungsaktionen unternimmt.«
    Sie hatte nicht erwartet, dass er so klar dachte. »Das tut er auch nicht.«
    »Hm. Nun, ich bin wach. Sie werden mich nicht tragen müssen. Sie sind Lady Katsa, nicht wahr?«
    »Ja, Prinz.«
    »Ich habe gehört, eins Ihrer Augen sei so grün wie die Gräser in den Middluns und das andere so blau wie der Himmel.«
    »Ja, Prinz, das stimmt.«
    »Ich habe auch gehört, Sie könnten einen Mann mit dem Nagel Ihres kleinsten Fingers töten.«
    Sie lächelte. »Ja, das ist richtig, Prinz.«
    »Macht es das leichter?«
    Mit zusammengekniffenen Augen schaute sie auf seine krumme Gestalt im Sattel. »Ich verstehe Sie nicht.«
    »Schöne Augen zu haben. Erleichtert es die Last Ihrer Gabe, zu wissen, dass Sie schöne Augen haben?«
    Sie lachte. »Nein, Prinz. Ich würde beides gerne hergeben.«
    »Vermutlich schulde ich Ihnen Dank«, sagte er und verfiel dann in Schweigen.
    Sie wollte fragen: Wofür? Wovor hatte sie ihn gerettet? Doch er war krank und müde und schien wieder zu schlafen. Sie wollte ihn nicht quälen. Sie mochte diesen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher